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Was im Leben zählt

Was im Leben zählt

Titel: Was im Leben zählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allison Winn Scotch
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Besonderes», sage ich und muss daran denken, wie sehr Tyler es bedauert, dass wir meine Sommerferien schon wieder nicht nutzen, um endlich mal nach Europa zu fliegen oder wenigstens die Küste runter nach Kalifornien zu fahren.
    «Ich wünschte, wir wären verreist», sagte er neulich abends, kurz nach dem Telefonat mit Rektor Anderson. «Ich wollte schon immer mal nach San Diego zum Surfen.»
    Ich rührte lachend die Tomatensauce um. «Also das höre ich heute aber zum ersten Mal.»
    Er zuckte die Achseln und schaltete auf der Suche nach einem Baseballspiel durch die Kanäle. «Ich fühle mich alt. Ich habe das Gefühl, ich muss endlich mal was Neues ausprobieren. Warum nicht Surfen?»
    «Ja, warum nicht?», stimmte ich gutmütig zu, erleichtert, dass er nicht vorschlug, im August doch noch irgendwie eine Reise reinzuquetschen. Mir kamen sofort tausend Einwände in den Sinn: Wir hätten kaum noch Zeit fürs Kindermachen, müssten wen finden, der die Blumen gießt, sich um das Haus kümmert, und müssten außerdem überlegen, wie ich trotzdem noch die Prom Night und das Musical organisieren könnte. Es ist viel bequemer, dass wir zu Hause geblieben sind , dachte ich. Surfen kann Tyler immer noch irgendwann. Ich rührte also mit dem hölzernen Kochlöffel in der Sauce und schwieg. Fast hätte ich gerufen, dass wir Paris auf dem Abschlussball erleben würden, aber ich ließ es, weil er dann sicher nur den Fernseher lauter gestellt hätte. Nicht, dass Tyler etwas gegen die Prom Night hat: Jahr für Jahr führt er mich pflichtschuldig auf die Tanzfläche. Aber letztes Jahr hat er zum ersten Mal gesagt, dass er sich langsam etwas zu alt vorkomme, eher Anstandswauwau als Ehemaliger, und als ich ihm letzte Woche freudestrahlend «Stadt der Lichter» als Ballmotto präsentierte, stand ihm das Desinteresse deutlich ins Gesicht geschrieben. Auch wenn Susanna hinterher meinte: «Das kannst du ihm kaum verübeln. Er ist zweiunddreißig. Wer will denn in dem Alter noch zur Prom Night gehen?» Ich gab ihr widerstrebend recht, aber insgeheim dachte ich: Ich schon!
    Ich bleche stolze drei Dollar für mein Eis und verabschiede mich mit einem Winken von CJ. Das Nusseis kann der Hitze keine Sekunde lang trotzen und läuft mir schon bald über den Handrücken.
    Ich schlendere in Richtung Autoscooter, und je näher ich komme, desto mehr übertönt Kinderkreischen die Bluegrass-Band, die hinter mir auf einer Bühne spielt. Ich entdecke Susanna mit ihren sechsjährigen Zwillingen. Sie verhandeln offensichtlich gerade über den Kauf von Zuckerwatte, während Austin unschlüssig danebensteht. Langsam schlendere ich weiter.
    Als ich mir die klebrigen Eisreste von den Händen wische, entdecke ich hinter dem Hotdog-Stand ein kleines Zelt. Es ist in unwiderstehlich sattem Violett gehalten, den Eingang verdeckt ein kunstvoll drapierter Stoffvorhang, mit goldenen Sternen verziert, die in der Sonne blinken. Ich gehe darauf zu und spüre auf einmal die Binde in meiner Unterhose. Bitte nicht. Bitte nicht meine Periode. Ein stummes Stoßgebet. Bitte, bitte, bitte nicht meine Periode!
    Ich ziehe den Samtvorhang zur Seite und strecke neugierig den Kopf ins Dunkel. Im Inneren ist es kühl, viel kühler als draußen auf dem Platz, und zum ersten Mal seit Stunden entspannt sich mein Körper. In einer Ecke brennen Räucherstäbchen, und ein überwältigend süßlicher Vanilleduft steigt mir in die Nase.
    «Hallo?», rufe ich. Es dauert etwas, bis meine Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt haben.
    «Augenblick noch», antwortet eine Stimme durch einen weiteren Vorhang, der direkt hinter einem windigen Klapptischchen hängt. Dann taucht eine Frau mit der Statur einer Ringerin auf, gedrungen, kompakt, zwar geschmeidig, aber viel zu bullig, um graziös zu wirken. Ihr Haar ist so schwarz, dass es fast lila wirkt, und die alabasterfarbene Haut sieht im Kontrast dazu fast durchscheinend aus. Sie muss etwa in meinem Alter sein, auch wenn der viel zu dick aufgetragene Kajal mich an manche Schülerinnen erinnert, die die Kunst des Schminkens noch erlernen müssen. Plötzlich kommt sie mir bekannt vor.
    «Oh Gott! Ashley Simmons?» Ich kneife forschend die Augen zusammen.
    Sie tritt näher. «Ach. Silly Tilly Everett.» Ein leises Lächeln umspielt ihre Lippen. «Das überrascht mich nicht.» Silly Tilly . Die dumme Tilly. Mein Spitzname aus Kindertagen.
    «Äh … inzwischen Tilly Farmer», sage ich und registriere erst dann, was sie eben gesagt hat. «Was

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