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Was ist Demokratie

Was ist Demokratie

Titel: Was ist Demokratie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Nolte
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Demokratie schubartig vorangebracht haben. Eine erste Welle lässt er bereits im frühen 19. Jahrhundert beginnen und mit dem Ende des Ersten Weltkriegs kulminieren, als in Europa monarchische Reiche zusammenbrachen und neue Republiken aus ihrer Erbmasse hervorgingen – von Deutschland bis zur Türkei. Auch die zweite Welle folgte unmittelbar aus einem großen Krieg: Die Niederlage der «Achsenmächte» Deutschland, Italien und Japan im Zweiten Weltkrieg führte weite Teile Westeuropas in die Demokratie zurück, setzte ein westlich-demokratisches Zeichen in Ostasien und wirkte bis etwa 1960 in der Dekolonisation Afrikas und Asiens fort. Das Signal zur drittenWelle schließlich gab, Huntington zufolge, die portugiesische «Nelkenrevolution» von 1974. Ihr folgten weitere Länder Südeuropas, mehrere lateinamerikanische Staaten – und schließlich das kommunistische Ost- und Mitteleuropa in der Revolution für Demokratie und Unabhängigkeit von 1989/90. Für die deutsche Geschichte ist dieses Schema schon deshalb interessant, weil Deutschland Anteil an allen drei Wellen hatte: in den Wendejahren von 1918, 1945 und 1989.
    Eine solche pointierte Theorie zieht auch Kritik auf sich. Trotz eines sehr weiten Blickes auf globale Entwicklungen ist Huntingtons Schema doch stark in der westlichen, besonders der europäischen Geschichte verankert. Demokratisierung in anderen Regionen erscheint eher wie ein Nebeneffekt, wie ein Echo der europäischen Fanfaren. Die dritte Welle, der Huntingtons eigenes Forschungsinteresse galt, fasst mindestens zwei sehr unterschiedliche Stränge zusammen, die auch zeitlich ein Stück auseinander liegen: die südeuropäische Demokratisierung der mittleren 70er Jahre und den Fall des Kommunismus anderthalb Jahrzehnte später. Zwar werden mit zunehmendem Abstand vom «Kalten Krieg» mehr gemeineuropäische Merkmale dieser Epoche erkennbar: Proteste von «68» in West und Ost; oder die gemeinsame Suche nach einer «Zivilgesellschaft» in den 1980er Jahren. Aber das Ende der autoritär-halbfaschistischen Regime in Portugal und Spanien bildet eher einen verspäteten Nachläufer von 1945, also der zweiten Welle. Man hat deshalb die postkommunistische Transformation auch schon als eine vierte Welle bezeichnet. Damit ist die Frage nach den Ursachen dieser Schübe aufgeworfen. Wenn die beiden ersten Wellen auf Kriege folgten, die zugleich den Charakter großer ideologisch-politischer Auseinandersetzungen hatten, muss man dem Krieg als Geburtshelfer der Demokratie wohl ein größeres Eigengewicht geben. Huntington selber nannte wichtige Faktoren, welche die dritte Welle getrieben haben, darunter das wirtschaftliche Wachstum der 1960er Jahre, die demokratiefördernden Aktivitäten «externer Akteure» wie der Europäischen Gemeinschaft, und ganz einfach einen «Schneeballeffekt». Eine historisch befriedigende Erklärung der Nelkenrevolution oder des Sturzes des Kommunismus in Polen kann das aber nicht sein.
    Unbefriedigend ist auch die vage Erstreckung der ersten Welle von den 1820er Jahren über ein ganzes Jahrhundert bis nach dem Ersten Weltkrieg. Doch hat Huntington damit immerhin einen Anstoß gegeben, über eine Erweiterung seines Schemas in die Zeit seit den Revolutionen des späten 18.Jahrhunderts nachzudenken. Mit einem schärferenBlick in die Geschichte könnte man weitere vier Wellen der Demokratisierung unterscheiden, die den dreien des 20. Jahrhunderts vorausgingen. Dabei sind in der Regel noch nicht Demokratien im modernen Sinne etabliert, sondern eher demokratische Grundlagen verbreitert, Partizipationschancen beschleunigt ausgeweitet worden. Die erste Welle wäre dann die der nordatlantischen Revolutionen zwischen 1770 und 1800, von den USA über Frankreich bis zurück nach Haiti. Eine zweite Welle könnte man in den 1820er und 1830er Jahren sehen; sie reichte von den Unabhängigkeitsrevolutionen in Lateinamerika unter Simon Bolivars Führung bis zu den europäischen Ereignissen um die Französische Julirevolution. Die Revolution von 1848 würde einen dritten Schub markieren, mit einer Art «Nachbrenner» in den 1860er Jahren, einer liberalen Ära in weiten Teilen Europas, und mit dem Sieg des Nordens im amerikanischen Bürgerkrieg. Schließlich lässt sich eine vierte Welle um die Wende zum 20. Jahrhundert erkennen. Sie erfasste in

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