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Was ist Demokratie

Was ist Demokratie

Titel: Was ist Demokratie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Nolte
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Riveras, und der italienische Faschismus arrangierte sich seit 1922 mit König Viktor Emanuel und der formalen Hülle der Monarchie.
    Benito Mussolini hatte eine Karriere als sozialistischer Journalist hinter sich, die ihn 1912 zum Herausgeber der Zeitung «Avanti» gemacht hatte, bevor er seit 1919 zum Führer der faschistischen Bewegung aufstieg und 1922 Premierminister Italiens wurde. Die entscheidende transformative Erfahrung war der Erste Weltkrieg, auch aus der «linken» Phase lassen sich Kontinuitäten ausmachen: Die syndikalistische Richtung des Sozialismus, für die der junge Mussolini stand, setzte auf unmittelbare Mobilisierung und hatte für die Partei, erst recht für den Parlamentarismus als ein Regime der Debatten und der Kompromisse wenig übrig; wichtiger war die direkte «Aktion», notfalls auch die Schwelle der Gewaltsamkeit überschreitend. Diese «voluntaristische» Grundhaltung nach der Devise: Handeln ist besser als Reden; die Welt muss verändert werden, und zwar am besten jetzt; wenn dabei gehobelt wird, fallen auch Späne. Diese Grundhaltung teilte die extreme, demokratiefeindliche Linke am Beginn des 20. Jahrhunderts, einschließlich Lenins und der russischen Bolschewisten, mit den verschiedenen Strömungen der radikalen Rechten. Dennoch darf man die Nähe nicht zu sehr betonen; vor der unterschwelligen Kontinuitätstand eine politische Konversion. Als Mussolini schon 1914 zum Nationalismus überlief und den Kriegseintritt Italiens forderte, wurde er aus der Sozialistischen Partei ausgeschlossen, und die bewaffneten Kampfgruppen, mit denen seine Leute seit 1919 das nordöstliche Italien terrorisierten, gingen bevorzugt auf Einrichtungen der Arbeiterbewegung wie Gewerkschafts- und Genossenschaftshäuser los.
    Die politische Situation Italiens nach dem Ersten Weltkrieg war labil. Italien war eine Monarchie geblieben, aber die Bildung parlamentarischer Regierungen erwies sich als schwierig. Wie in weiten Teilen Europas (mit der klaren Ausnahme des britischen Zweiparteiensystems, und zum Teil auch von Skandinavien, wo die Sozialdemokraten in der Zwischenkriegszeit zur führenden Partei aufstiegen) saßen viele kleine und mittelgroße Parteien in den Parlamenten, die sich mit der Zusammenarbeit jedoch schwer taten. Zum einen trennte sie ein viel größerer ideologischer Abstand als in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als sich ein breiterer liberal-demokratischer Konsens herausbildete. Zum anderen drückten die Parteien – ähnlich wie in Deutschland – nicht nur unterschiedliche Überzeugungen oder Interessen aus, sondern repräsentierten einen soziokulturellen Mikrokosmos, der mit Wertesystem und Lebenswelt der Konkurrenten unvereinbar war – jedenfalls glaubte man das: Liberale, Katholiken, Sozialisten, das waren nicht nur Parteien, sondern unversöhnliche und oft abgeschottete Segmente der Gesellschaft.
    Jedenfalls hatte der liberale Premierminister Giovanni Giolitti nach den Parlamentswahlen im Mai 1921 über ein Jahr vergeblich versucht, eine Regierung zu bilden, sogar unter Einschluss der Faschisten. Diese konstituierten sich erst während dieser Zeit, im November, als eine politische Partei, als «Partito Nazionale Fascisto». Im folgenden Herbst inszenierte Mussolini einen «Marsch auf Rom» und drohte darin mit einem Staatsstreich seiner Partei; der König lenkte ein und ernannte ihn am 30. Oktober 1922 zum Premierminister. Doch die Etablierung einer Diktatur vollzog sich anders als später in Deutschland, weniger radikal und in Stufen über viele Jahre. Zwischen 1924 und 1925 sicherte Mussolini seiner Partei durch verschiedene Tricks und halbfreie Wahlen zunächst die Vormacht im Parlament; bis 1926 folgte das Verbot aller Parteien außer der Faschisten, und Mussolini nahm den Titel «Duce», der Führer, an. 1928 verschwand auch das Parlament, und der «Große Rat», eigentlich ein Organ der Partei, übernahm eine pseudo-repräsentative Rolle. Damit verquickten sich Staat und (Monopol-)Partei: eintypisches Merkmal von Diktaturen des 20. Jahrhunderts. Der Ausgleich mit dem Vatikan in den Lateranverträgen von 1929 und die Regulierung der Wirtschaft in einem System des Korporatismus rundeten die Stabilisierung der faschistischen Herrschaft ab.
    Bis 1929 war auch die Gesellschaft unter Kontrolle des Regimes und hatte ihre Freiheiten

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