Was ist koscher - Jüdischer Glaube
als in der Orthodoxie.
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Das Judentum ist eine Gesetzesreligion, und für viele Nichtjuden ist die Vorstellung, 613 Gebote einhalten zu müssen, ein Albtraum. Was für ein Leben ist das, das so reglementiert ist? So viele Restriktionen, die keinerlei Freiheit mehr zulassen? Macht so ein Leben überhaupt Spaß?
Seit Urzeiten haben sich Juden dieselben Fragen gestellt.
Schon Moses, der große Führer der Nation, hat kurz vor seinem Tod diese Problematik aufgegriff en, als er folgende Worte zum Volk Israel sprach:
»Denn dieses Gebot, das ich dir heute gebiete – nicht entrückt ist es dir und nicht fern ist es. Nicht im Himmel ist es, daß du sprechen müßtest: ›Wer stiege für uns in den Himmel hinauf und holte es für uns, um es uns zu verkünden, daß wir es tun?‹ Sondern sehr nah ist dir das Wort, in deinem Mund und in deinem Herzen, daß du es tust.«
(Deut. 30, 11-14)
Das Joch der Mitzwot, das war dem jüdischen Volk von Anfang an bewusst, ist ein schwieriges. »Schwierige Freiheit«
nennt der große jüdische Philosoph Emmanuel Levinas eine seiner Essaysammlungen zum Judentum und seinem Gesetz.
Freiheit? Für Gläubige ist es zur Freiheit geworden, denn das Wissen um Gut und Böse, um Recht und Unrecht, das strikte Einhalten eines ordnenden Rahmens, diese Disziplin gibt dem Gläubigen große innere Freiheit, da er sich frei macht von sehr vielen weltlichen und materiellen Bindungen, denen wir nicht ganz so Gläubige in unserem täglichen Leben nach-jagen. Diese Form der Freiheit ist in vielen Religionen wieder zu fi nden. Ein Blick nach Fernost in die buddhistischen Klöster oder auch nur in ein katholisches Kloster hier in unseren Breitengraden zeigt, dass auch dort auf anderen Wegen 32
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versucht wird, den Weg der inneren Freiheit zu gehen. Das Judentum allerdings sucht diesen Weg miĴ en im Leben, nicht außerhalb des Lebens, nicht abgeschoĴ et von der Realität des irdischen Daseins. Ich muss zugeben, dass ich orthodoxe Juden bewundere und ein ganz klein wenig auch beneide um die Sicherheit ihres Glaubens und ihrer Lebensweise. Sie leben in einem Einklang mit GoĴ und der Welt, nach der wir
»Schwachen«, die wir in dieser Konsequenz nicht leben wollen oder können, manchmal verzweifelt suchen.
Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich eine ganze Philosophie um die Mitzwot, um ein Leben entsprechend der Halacha, des Religionsgesetzes. Der Begriff Halacha kommt vom hebräischen Wort für »Gehen« oder »Wandeln« und bedeutet wörtlich etwa: »Weg«. Es handelt sich also um einen spirituellen Weg, den der Jude gehen soll, denn ihm hat GoĴ
einen besonderen AuĞ rag mitgegeben:
»Und ihr sollt mir sein ein Reich von Priestern und ein heilig Volk.« (Ex. 19,6)
Und an anderer Stelle heißt es:
»Und der Ewige redete zu Mosche und sprach: ›Rede zu der ganzen Gemeinde der Kinder Jisrael und sprich zu ihnen: Heilig sollt ihr sein, denn heilig bin ich, der Ewige, euer GoĴ .‹« (Lev. 19, 2)
Heiligkeit ist in der jüdischen Tradition ein entscheidender Begriff , und es ist nötig, ihn hier wenigstens kurz zu erläutern, da das christliche, vor allem katholische Verständnis von Heiligkeit ein anderes ist. Für uns Juden ist die Heiligsprechung eines Menschen, wie der Papst sie vornehmen kann, völlig 33
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unverständlich. Ein Mensch kann nicht von einem anderen Menschen heilig gesprochen werden. Dazu sind wir weder befugt noch in der Lage. Wir sind allerdings alle in der Lage, Zaddikim, Gerechte, zu werden. Gerechtigkeit zu erreichen ist das eine, wesentliche Ziel des Judentums. Während, vereinfacht ausgedrückt, im Christentum die Caritas, die Liebe, im Vordergrund steht, ist das im Judentum Zedek, die Gerechtigkeit.
Nach der jüdischen Weltanschauung ist es unmöglich, jeden Menschen gleich zu lieben. Man soll es versuchen, danach streben, schließlich stammt der dem Christentum zugeordne-te Satz »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« aus der Thora, doch bis man psychisch an diesem Punkt angelangt ist, kann es dauern. Das Judentum ist in solchen Dingen sehr pragmatisch. Was jedoch von jedem zu verlangen ist, ist Gerechtigkeit. Denn dafür muss ich keine Emotionen entwickeln. Ich kann ja niemanden zwingen zu lieben, aber ich kann von jedem Gerechtigkeit verlangen. Im Idealfall ist also ein Jude ein Zaddik, ein
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