Was ist koscher - Jüdischer Glaube
Säkularisierung ist nur ein Beispiel. Freilich, die Schwierigkeit, gute Religionsleh-rer nach Deutschland zu holen, das Problem, dass wir noch nicht genügend jüdische Schulen, nicht genügend jüdische Hochschulprogramme haben, sind Spätfolgen der Schoah.
Wir sind zwar nicht mehr Nachlassverwalter einer einstmals 310
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blühenden GemeinschaĞ , doch wir sind in vielen Bereichen immer noch Verwalter eines Mangelzustands, einer Situation, die uns immer wieder daran erinnert, dass es keine jüdische Kontinuität mehr gibt, sondern dass der Bruch, die Zerstö-
rung der jahrtausendealten GemeinschaĞ en, ein menschliches, geistiges und religiöses Vakuum hinterlassen hat, das wir nur schwerlich in wenigen Generationen füllen können.
Wir sind uns bewusst, dass wir noch sehr viel AuĠ auar-beit leisten müssen und dass es noch Jahrzehnte und viele Generationen dauern wird, ehe wir vielleicht wieder an einem Punkt sind, wo wir sagen können: In Deutschland gibt es wieder eine blühende, lebendige jüdische GemeinschaĞ .
Immerhin: Durch die Einwanderung der Juden aus den GUS-Staaten sind wir zumindest numerisch wieder eine gro-
ße GemeinschaĞ . Der jüngst unterschriebene Staatsvertrag zwischen dem Zentralrat der Juden und der Bundesregierung ist ein einzigartiges Novum in der Geschichte der deutsch-jü-
dischen Beziehungen. Insofern gibt es Hoff nung und immer wieder FortschriĴ e für die ZukunĞ unserer GlaubensgemeinschaĞ , die sich inzwischen immer seltener die Frage stellt, wie man als Jude in Deutschland leben kann. Es gibt noch letzte Vorbehalte und Ängste, natürlich. Die Bezeichnung des Zentralrats ist »Zentralrat der Juden in Deutschland« und nicht: »Zentralrat der deutschen Juden«. Bei der Gründung dieses Dachverbandes gab es zwei Überlegungen für diese Wortwahl: Zunächst einmal die Tatsache, dass die Mehrheit der Juden nach 1945 tatsächlich keine deutschen Juden waren, zum anderen, dass es für jeden Juden nach 1945 schwer geworden ist, sich als »Deutscher« zu bezeichnen. Für viele gilt das immer noch, ganz besonders – unabhängig von der Vergangenheit – für die rund 70000 russischen Zuwanderer.
Insofern wird der Zentralrat seinen Namen vorläufi g wohl 311
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nicht ändern. Aber vielleicht – eines Tages – wird es so weit sein. Dann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem sich alle Juden in Deutschland wieder als Deutsche fühlen können und niemand sie mehr fragen wird, wie man als Jude in Deutschland leben kann. Doch das werde ich in meinem Leben gewiss nicht mehr erleben. Und ich glaube, auch die Generation unserer Kinder nicht. Dass es aber irgendwann einmal möglich sein wird, dafür muss die Mehrheit der deutschen Nichtjuden sorgen. Denn nur wenn sich Deutschland weiterhin als freier, pluralistischer und liberaler Staat bewährt, werden die Juden sich eines Tages in Deutschland wieder »daheim« fühlen können.
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