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Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen

Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen

Titel: Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Hoerster
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davon aus, dass andere Menschen – anders als Tische oder Bäume – außerdem noch ein geistiges Innenleben haben, dass sie also etwa denken, sich freuen, lieben oder Schmerz empfinden können. Mit welchem Recht aber nehmen wir dies an? Wieso können wir dies wissen?
    Unsere Sinneswahrnehmung jedenfalls scheint hier zu versagen. Denn ich kann das Denken oder das Lieben eines anderen Menschen weder sehen noch hören noch sonstwie mit meinen Sinnen wahrnehmen. Auch mein eigenes Denken oder Empfinden kann ich mit meinen
äußeren
Sinnen ja nicht wahrnehmen. Ich kann es nur dadurch wahrnehmen, dass ich mich auf mein Innenleben, mein geistiges Leben selbst konzentriere. Das tue ich, indem ich meine
inneren
Sinne bemühe. Mit ihrer Hilfe kann ich dann etwa zu der Überzeugung gelangen, dass ich momentan über eine bestimmte Formulierung nachdenke oder mich am Anblick meiner Katze erfreue oder unter Zahnschmerzen leide.
    Diese Überlegung zeigt, dass außer den äußeren auch die inneren Sinne uns Wissen vermitteln können. Denn natürlich
weiß
ich nicht nur, dass momentan vor mir ein Schreibtisch steht, sondern auch, dass ich momentan über eine bestimmte Formulierung nachdenke. Mit einem gewissen Recht werden in der Erkenntnis- oder Wissenstheorie jedoch die inneren Sinne eher vernachlässigt; denn die Außenwelt, die sich uns darstellt, wird gewöhnlich als ungleich reichhaltiger und wichtiger angesehen als das eigene Innenleben. Und das Innenleben
anderer
Menschen können wir ja als solches, wie gesagt, gar nicht wahrnehmen.
    Fehlt uns also jeglicher Zugang zum Innenleben anderer Menschen? Oder gibt es doch noch eine Möglichkeit, über das Innenleben anderer Menschen Wissen zu erlangen? Die einzige Möglichkeit, die ich sehe, beruht auf folgender Überlegung: Ich selbst bringe meine inneren Erfahrungen und Erlebnisse jedenfalls gelegentlich durch äußere Handlungen – wie sprachliche Mitteilung, Lachen und Weinen – zum Ausdruck. Wenn ich etwa sage, ich denke gerade an meinen letzten Urlaub auf Mallorca, dann denke ich tatsächlich an diesen Urlaub; ich habe insoweit keinen Grund zu lügen. Und wenn ich etwa sage, dieser Wein schmeckt mir besonders gut, dann gilt Entsprechendes. Bestimmte äußere Handlungen sind bei mir also mit bestimmten inneren Erfahrungen eng verbunden. Und aus diesem Grund gehe ich davon aus, dass dies bei meinen Mitmenschen prinzipiell genauso ist, dass also auch bei ihnen mit den entsprechenden äußeren Handlungen die entsprechenden inneren Erfahrungen eng verbunden sind. Es wäre ja mehr als merkwürdig, wenn ich etwa ein Kind weinen höre und
nicht
auf die Idee käme, das Kind wäre traurig oder hätte Schmerzen.
    Mit anderen Worten: Es gibt, so wie die Dinge liegen, für mich einfach keine bessere Erklärung für zahlreiche äußere Handlungen anderer Menschen als die Annahme, dass diese Handlungen – ebenso wie bei mir selbst – Reaktionen auf ganz bestimmte innere Vorgänge sind. Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, dass jemand mich durch seine Handlungen bewusst über seine inneren Vorgänge täuschen will. Doch eine solche Täuschung muss nicht unter allen Umständen auch erfolgreich sein. Wenn A mir etwa sagt, er sei in B verliebt, und wenn ich A gut kenne, dann kann ich etwa das Reden sowie das sonstige äußere Verhalten von A über einen längeren Zeitraum beobachten und hieraus gewisse Schlüsse auf die Richtigkeit der Behauptung von A ziehen. Es ist zwar trotzdem möglich, dass ich von A erfolgreich getäuscht werde; aber einen anderen Weg als den genannten zum Wissen über As inneren Zustand gibt es für mich nun einmal nicht. Über das Innenleben anderer Menschen kann man nur auf dem
indirekten
Weg der Wahrnehmung ihres äußeren Verhaltens Kenntnis erlangen.
    Nach alledem lässt es sich kaum bestreiten, dass wir nicht nur tatsächlich im Alltag immer wieder davon ausgehen, dass wir durch Sinneswahrnehmung zu Wissen gelangen können, sondern dass diese Annahme auch vollkommen berechtigt ist. Dabei erstreckt sich solches Wahrnehmungswissen oder empirisches Wissen auf die Vergangenheit ebenso wie auf die Gegenwart und auf die innere ebenso wie auf die äußere Welt. Ob es auch Wissen über die Zukunft geben kann, das wir aus unserem empirischen Wissen über die Gegenwartbzw. über die Vergangenheit ableiten können, wird uns im folgenden Kapitel beschäftigen.
    Ungleich komplexer als unser gewöhnliches Alltagswissen ist das Wissen der sogenannten Wissenschaft. Doch

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