Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen
und dieser Instrumentalwert dem Eigenwert eines gesunden Lebens dienen.
Selbstverständlich ist dabei auch die Beziehung zwischen dem Instrumentalwert «Nahrungsmittel» und dem Eigenwert «gesundes Leben» unserem Wissen zugänglich, wenn auch dieses Wissen hier längst nicht so offen zu Tage liegt wie im Fall des Instrumentalwertes «Geld». Denn hier lautet die Frage ja etwa: «Welche Art von Nahrung soll ich zu mir nehmen bzw. nicht zu mir nehmen, um möglichst gesund zu leben? Soll ich vielleicht zu diesem Zweck kein Fleisch essen, wie viele Vegetarier meinen? Oder soll ich, wie einige Ernährungswissenschaftler meinen, zwar durchaus Fleisch essen, aber nicht beliebige Mengen an Fleisch und nicht Fleisch beliebiger Art?» Dass diese und ähnliche Fragen sich bis heute kaum zweifelsfrei beantworten lassen, bedeutet sicher nicht, dass sie grundsätzlich unserem Wissen verschlossen sind.
Ich fasse zusammen: Zwar ist der Eigenwert, den etwa ein langes und gesundes Leben für mich hat, als solcher nicht Gegenstand meines Wissens, sondern Gegenstand meinesWünschens oder Wollens. Doch der Wert, den eine bestimmte Form der Ernährung insofern für mich hat, als diese Ernährung als Instrumentalwert den genannten Eigenwert fördert, ist durchaus ein Gegenstand möglichen Wissens, und zwar eines Wissens aufgrund empirischer Erfahrung. Man sollte jedoch stets bedenken: Die letzte Grundlage
jeder
Bewertung muss
irgendein
Eigenwert sein – ein Eigenwert, der identisch ist mit der positiven Bewertung oder Wertschätzung durch ein menschliches Individuum, in der der Wunsch dieses Individuums nach einem bestimmten Gegenstand – wie einem Ereignis, einem Erlebnis oder einem Verhalten – zum Ausdruck kommt.
Ist es auf dieser Grundlage möglich, dass ein Individuum eine positive Bewertung vornimmt, der in Wahrheit jedoch kein Wert für dieses Individuum entspricht? Dies ist durchaus möglich. Immer dann nämlich, wenn Individuum A ein x als Instrumentalwert zur Realisierung eines erstrebten Eigenwertes y für geeignet hält, das diese Eignung jedoch nicht besitzt, hat x in Wahrheit für A insoweit auch keinen Wert. (Allerdings könnte x für A trotzdem insoweit einen Wert haben, als x der Realisierung eines weiteren von A erstrebten Eigenwertes z dient.) Wenn ich zur Bekämpfung einer bestimmten Krankheit etwa ein Medikament kaufe und damit positiv bewerte, das tatsächlich die Krankheit
nicht
bekämpft, dann hat dieses Medikament in Wahrheit für mich keinen Wert, obschon ich es positiv bewerte. Und umgekehrt gilt ebenfalls: Wenn ich ein wirksames Medikament in Unkenntnis seiner Wirksamkeit
nicht
wertschätze und kaufe, so hat dieses Medikament in Wahrheit für mich trotzdem einen Wert.
Es kann also sowohl
vermeintliche,
in Wahrheit fälschliche Instrumentalwerte geben, die der Betreffende in einem aufgeklärten Zustand keineswegs als Werte betrachten würde, als auch
ignorierte,
in Wahrheit vorhandene Instrumentalwerte, die der Betreffende in einem aufgeklärten Zustand durchaus als Werte betrachten würde. Sind entsprechende Irrtümer aber auch in Bezug auf Eigenwerte möglich, die, wie gesagt, die eigentliche Grundlage jeder Bewertung überhaupt sind? Kann es also außer vermeintlichen sowie ignorierten Instrumentalwerten auch vermeintliche sowie ignorierte Eigenwerte geben?
Um mit der ersten Frage zu beginnen: Man könnte meinen, vermeintliche Eigenwerte könne es
nicht
geben, weil Eigenwerte ja nicht als Mittel zu einem weiteren Zweck wertgeschätzt werden – zu einem Zweck, den sie nach Kenntnis der Dinge tatsächlich verfehlen können. Doch näheres Nachdenken zeigt, dass durchaus auch ein als Eigenwert oder Selbstzweck verfolgtes Ziel für Individuum A in Wahrheit wertlos sein kann. Nehmen wir an, A ist begeisterter Bergsteiger und plant für den kommenden Tag als Eigenwert eine Hochgebirgstour. Doch A ist zum Zeitpunkt der Planung nicht informiert darüber, dass für den kommenden Tag ein Wetterumschwung mit einem schweren Schneesturm vorausgesagt ist. Unter diesen Bedingungen stellt die Bergtour für A in Wahrheit sicher keinen Wert dar; denn in klarer Kenntnis dieser Bedingungen würde A die Bergtour nicht machen wollen.
Oder nehmen wir an, A entscheidet sich aus reiner Begeisterung für einen bestimmten Beruf – ohne darüber informiert zu sein, dass er den schweren physischen Belastungen,die dieser Beruf mit sich bringt, auf Dauer nicht gewachsen sein wird. Auch hier stellt der betreffende Beruf, den A
Weitere Kostenlose Bücher