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Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen

Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen

Titel: Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Hoerster
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tatsächlich anstatt eines Mercedes etwa einen BMW kaufen würde,
obschon
ich BMW nicht so positiv bewerte wie Mercedes und obschon beide Modelle gleich viel kosten. Man würde in diesem Fall mit Recht annehmen, dass mein abgegebenes Werturteil über Mercedes nicht ehrlich gemeint war.
    Bewertungen, die jemand über bestimmte Gegenstände vornimmt, haben demnach stets auch einen zumindest möglichen Bezug zum
Handeln
dessen, der die Bewertung vornimmt. Jeder Bewertung liegt nämlich so etwas wie eine Einstellung zugrunde, in der Wünsche, Präferenzen oder Interessen des Betreffenden, bezogen auf einen bestimmten Weltzustand, zum Ausdruck kommen. Dabei wird der Handlungsbezug besonders deutlich, wenn die betreffende Wertung
unmittelbar
auf menschliches Verhalten zielt. Und das trifft vor allem dann zu, wenn menschliches Verhalten – das eigene Verhalten wie das der Mitmenschen – unter
moralischem
Aspekt bewertet wird.
    Man betrachte etwa den Fall, dass jemand vom zentralen Wert der Freiheit und der Gerechtigkeit in der Gesellschaft oder vom unveräußerlichen Wert der Menschenrechte spricht. Hier ist mit der positiven Bewertung gleichzeitig die Forderung verbunden, die genannten Zustände bzw. Institutionensozial in Geltung zu setzen bzw., sofern sie schon sozial in Geltung sind, beizubehalten und zu fördern. Dabei machen diese Beispiele deutlich, dass der Wertbegriff besonders gern verwendet wird, wenn die moralischen Werte, um die es geht, auch politisch eine wichtige Rolle spielen. Man spricht dann häufig auch von «Grundwerten», die der Gesellschaft als Richtschnur dienen sollen.
    Nach alledem können wir sagen: Wenn A einem x einen Wert zuschreibt und x damit positiv bewertet, bringt A dadurch gewöhnlich eine Einstellung gegenüber x zum Ausdruck, die für menschliches Handeln – eigenes und manchmal auch fremdes menschliches Handeln – einen Maßstab bildet: A wünscht, dass er selbst bzw. dass seine Mitmenschen in ihrer Lebenspraxis x realisieren, also verwirklichen oder erleben.
    Das bedeutet nicht, dass A jenes x, das er positiv bewertet, unter allen Umständen auch tatsächlich realisiert. Zum einen kann es der Fall sein, dass A x (etwa einen Konzertbesuch) nur realisieren kann, indem er auf y (etwa ein Fußballspiel im Fernsehen), das für ihn einen größeren Wert als x besitzt, verzichtet oder dass die Realisierung von x für A negative Folgen hätte (etwa die Verschlimmerung einer Krankheit), die für ihn den Wert von x überwiegen. In diesen Fällen wird A x, obschon x als solches für ihn einen Wert darstellt, vernünftigerweise
nicht
realisieren. Und zum anderen kann es der Fall sein, dass A es etwa aus Faulheit oder anderer Willensschwäche nicht fertigbringt, die notwendigen Voraussetzungen zur Realisierung von x (wie den rechtzeitigen Kauf einer Konzertkarte) zu erfüllen. In diesem Fall wünscht A zwar, x zu realisieren, und vernünftigerweisewürde A x auch realisieren; doch es fehlt A an der nötigen Willenskraft.
    Wenden wir uns nun der eigentlichen Frage zu, ob A auch
wissen
kann, was für ihn oder seine Mitmenschen tatsächlich einen Wert darstellt, also von ihm oder seinen Mitmenschen als wertvoll betrachtet werden sollte. Prüfen wir zunächst, ob A ein solches Wissen vielleicht auf einem jener Wege erlangen kann, die wir in den Kapiteln 2 und 3 behandelt haben.
    Allein «durch logisches Denken» kann A ein Wissen über Werte gewiss nicht erlangen. Denn einen logischen Denkfehler würde A gewiss nicht begehen, wenn er statt eines abendlichen Sonnenuntergangs etwa einen nächtlichen Regenschauer oder statt eines Bundesligaspiels im Herrenfußball ein Bezirksligaspiel im Damenfußball als Wert betrachten sollte. Ja, selbst ein Eintreten für die Rassendiskriminierung oder für den totalitären Staat verstoßen als solche nicht gegen die Logik.
    Kann A etwa «durch Sinneswahrnehmung» zu einem Wissen darüber gelangen, was er als einen Wert oder als wertvoll betrachten sollte? Auch diese Frage ist offenbar zu verneinen. Mit unseren fünf Sinnen können wir nur etwas wahrnehmen, das in der Außenwelt Realität besitzt. Werte, die uns als Gründe für unser Handeln dienen können, gehören nicht dazu. Ich kann zwar einen bestimmten Sonnenuntergang in allen Einzelheiten sehen; aber ich kann nicht gleichzeitig sehen, dass dieser Sonnenuntergang einen Wert darstellt, also meine besondere Aufmerksamkeit und Bewunderung auch
verdient.
Und ich kann zwar unter Umständen visuell wahrnehmen,

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