Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen
einem unterschiedlichen handlungsbezogenen
Wollen?
Schließlich kommen auch ganze Gesellschaften nicht selten, wenn es um ihre sozialen «Grundwerte» geht, zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. So ist etwa die Demokratie weltweit keineswegs die einzige oder die verbreitetste Staatsform. Und auch die elementaren Menschenrechte sind bis heute keineswegs universal anerkannt. Ja sogar innerhalb der westlichen Demokratien gibt es erhebliche Wertunterschiede. Man denke etwa an die Institution der Todesstrafe, wie sie in den meisten Einzelstaaten der USA Geltung besitzt,oder an den völkerrechtswidrigen Krieg der USA gegen den Irak mit Tausenden unschuldiger Opfer.
Gibt es nach alledem also überhaupt keine Art von Wissen über die
Werte,
die wir vernünftigerweise akzeptieren und unter Umständen auch verbreiten sollten, sondern lediglich ein empirisches Wissen über die tatsächlichen
Wertungen,
die ein bestimmtes Individuum oder die eine bestimmte Gesellschaft nach eigenem Gutdünken in der Realität vornimmt?
Diese Schlussfolgerung wäre vorschnell. Zwar können wir kein Wissen über Werte im Sinne letzter Ziele erlangen – über Werte, die ich im Folgenden auch als
Eigenwerte
bezeichnen werde. Wohl aber können wir ein Wissen über die Bedingungen und Voraussetzungen erlangen, mit denen die Verfolgung dieser Eigenwerte in der Realität verbunden ist. Denn viele Werte, die wir im Alltag gewöhnlich verfolgen, betrachten wir ja nicht als Eigenwerte zum Selbstzweck, sondern lediglich als geeignete Mittel zur Verwirklichung anderer, grundlegenderer Werte. Ich bezeichne alle diese Werte, die nicht um ihrer selbst willen, also nicht als Eigenwerte, verfolgt werden, auch als
Instrumentalwerte.
Wir werden im Folgenden noch sehen, dass die prinzipielle Erkennbarkeit geeigneter Instrumentalwerte insbesondere bei der Begründung der moralischen Grundwerte von Staat und Gesellschaft entscheidende Bedeutung gewinnt.
Machen wir uns zunächst den Unterschied zwischen Eigenwerten und Instrumentalwerten noch etwas näher deutlich. Es ist ohne weiteres möglich, einen Wert gleichzeitig
sowohl
als Eigenwert
als auch
als Instrumentalwert zu verfolgen. Dieses wird in der Realität sogar recht häufig vorkommen.So dürften die allermeisten Menschen etwa ein gesundes Leben wertschätzen sowohl als Eigenwert um seiner selbst willen als auch als Instrumentalwert deshalb, weil es ihnen die Möglichkeit gibt, einer speziellen Beschäftigung, die ihnen als Eigenwert am Herzen liegt (wie etwa ihrem Beruf oder dem Fußballspielen oder dem Musizieren), optimal nachzugehen.
Ein gutes Beispiel für einen Instrumentalwert ist das
Geld.
Es erscheint wenig sinnvoll, Zeit für den Erwerb von Geld aufzubringen, für das man überhaupt keine Verwendung hat. Denn Geld ist seiner Funktion nach ein typisches Mittel zum Zweck. Zwar gibt es auch Menschen, für die das Geldverdienen anscheinend einen Eigenwert, einen Wert an sich darstellt. Man kann jedoch fragen, ob diese Menschen nicht möglicherweise ein erfüllteres, glücklicheres Leben hätten, wenn sie als Eigenwert oder Selbstzweck andere Ziele als das Geldverdienen verfolgen würden.
Damit soll nicht gesagt sein, dass jemand nicht sinnvollerweise etwa einen bestimmten Beruf ausüben kann, durch den er eindeutig mehr Geld verdient, als er ausgeben kann. Man denke etwa an einen prominenten Künstler. Denn hier kann ja die Berufsausübung als solche und nicht das Geldverdienen als Eigenwert betrachtet werden. Doch auch darin unterscheiden sich die Menschen offenbar, ob und inwieweit sie mit ihrer beruflichen Tätigkeit einen Eigenwert verbinden können. Ich selbst hätte meinen Beruf als Universitätsprofessor sicher nicht ausgeübt, wenn ich das zum Leben notwendige Geld etwa geerbt hätte.
Dass man mit Geld sehr vieles – wenn auch nicht alles – kaufen kann, ist eine Trivialität: Geld stellt für viele Menschen,die offene Wünsche haben, jedenfalls einen Instrumentalwert dar. Und dass Geld diesen Instrumentalwert besitzt, ist gewiss eine Sache des Wissens: Natürlich
wissen
wir, dass Geld uns dazu dienen kann, viele unserer Eigenwerte zu verwirklichen, und dass Geld damit für uns normalerweise einen hohen Instrumentalwert besitzt. Der Zweck, dem das Geld
unmittelbar
dient, kann dabei auch selbst wieder Mittel zu einem weiteren Zweck sein und so über mehrere Stufen dem eigentlichen Eigenwert dienen. So kann etwa der Instrumentalwert des Geldes dem Instrumentalwert bestimmter Nahrungsmittel
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