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Was kostet die Welt

Titel: Was kostet die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel
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labbrigen Fünfeuroschein aus meinem prallgefüllten Portemonnaie und sage: »Drei.«

    Â»Danke«, sagt Petra Pau und gibt mir lächelnd das Wechselgeld.
    Ich kippe mir drei Tütchen Zucker in den Kaffee und nehme einen Schluck. Ich muss mich sehr beherrschen, mir jetzt keine Zigarette anzuzünden.
    Â 
    In Bonn leert sich der Zug allmählich. Flache Häuser mit roten und braunen Dachziegeln und Kunststoffbalkonen tauchen auf. Dann sehe ich zwischen den Gebäuden Wasser aufblitzen, das muss der Rhein sein. Kurz darauf fahren wir am Fluss entlang. Träge schieben sich ein paar Schiffe den Rhein hinauf, oder hinunter, keine Ahnung, wie rum man das sieht.
    Der Hobby-Imker starrt immer noch aus dem Fenster. Seine Frau hat die Frau mit Herz zur Seite gelegt und sich in die neue Mach mal Pause vertieft, dazu isst sie Kekse. Martin L. Gore fällt derweil immer wieder in den Sekundenschlaf. Während der Mann in seinem Ohr sagt, dass das Leben echt krass ist und er weinen musste, als er seine Mama im Gerichtssaal sah, sinkt Martin langsam der Kopf auf die Brust. Er schnarcht einmal laut auf, schreckt hoch und schaut sich peinlich berührt um, bevor er die Hand an den Mund nimmt und heimlich den Speichel einsaugt, der in seinen Mundwinkeln hängt.
    In Andernach steigt er aus. Ein Betrunkener torkelt durch den Gang, macht kurz Anstalten, sich neben mich zu setzen, und geht dann doch vorbei, um sich ein paar Reihen weiter keuchend in einen Sitz fallen zu lassen.
    Â»Der nächste Halt unseres Zuges: Koblenz. Wir danken allen Reisenden der Deutschen Bahn und …«
    Der Großteil der Fahrgäste verlässt den Zug. Auch das Ehepaar gegenüber steigt hier aus.

    Â»Tschüss«, sage ich.
    Sie antworten nicht. Sie schleichen geduckt davon, als wären sie bei etwas sehr Privatem erwischt worden. Die Frau schleift einen dicken Fressalienkorb hinter sich her.
    Â 
    Links von mir erscheint die Mosel, die in der späten Nachmittagssonne glitzernd gegen die Fahrtrichtung nach Norden treibt. Auf der anderen Seite des Zuges tauchen die ersten Weinfelder auf. Mit langen Rebstöcken bewachsene Hänge schieben sich ins Bild.
    Die Gegend wirkt jetzt zunehmend wie gemalt. Es kommt mir vor, als würde ich den Begriff »malerisch« zum ersten Mal richtig verstehen. Zivilisation und Wildnis rücken zusammen und gleichen sich immer mehr an. Die bunten Hänge sehen aus wie von kitschverliebter Menschenhand entworfen, die Dörfer am Wegesrand dagegen wirken, als wären sie im Laufe der Jahre von ganz alleine so aus dem Boden gewachsen. Enge Gassen. Schlanke Kirchtürme. Niedliche Pensionen. Grob gepflasterte Straßen. Und jede Menge Fachwerkhäuser, deren Anblick ich für immer mit dem Spreepark im Plänterwald assoziieren werde, wo ich das erste Mal Häuser dieser Art gesehen habe. Ich weiß noch, wie erstaunt ich war, als ich bei einem Familienbesuch in Jena feststellte, dass es solche Häuser tatsächlich gab, dass tatsächlich Menschen darin lebten, dass sie nicht nur lustig verzierte Vergnügungspark-Kulisse waren. Das war bei einem der vielen endlosen Besuche bei Tante Helena und Onkel Uli. Sie wohnten damals schon in dem Haus, in dem mein Vater letztes Jahr gestorben ist.
    Noch besser als die lustigen Fachwerkhäuschen fand ich allerdings den großen runden Turm mitten in der Stadt, der in der Sonne glänzte und wirklich riesig war. Ich wollte
unbedingt einmal hochfahren, aber mein Vater sprach nur verächtlich von der »verdammten Keksrolle«, in die er keinen Fuß setzen würde, weil sie im Sommer der Hälfte der Altstadt das Sonnenlicht raubt. Eine Schande für seine Heimatstadt. Ich quengelte und quengelte, doch er ließ sich nicht erweichen.
    Ich glaube, an diesem Tag bekam ich zum ersten Mal eine Ahnung davon, was für ein verbitterter, trauriger Mann mein Vater war.
    Â 
    Alles wird langsamer. Auch der Zug schwebt nun mit deutlich gedrosseltem Tempo gemächlich vor sich hin, als würde er sich selbst als Teil dieser Postkartenlandschaft erachten.
    Postkarte? - Fototapete!
    Ich bin anscheinend so dermaßen verstädtert, dass ich bei Schönheit immer gleich an Artifizielles denken muss. Welches raffinierte Bildbearbeitungsprogramm wohl all diese Farben erschaffen hat? Wie viele verschiedene Grüntöne es alleine gibt!
    Es ist, als würde ich eine Grenze passieren, ohne dass jemand meinen Reisepass

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