Was kostet die Welt
auch schon mal mit dem Trecker auf Partys gefahren. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, gell.«
»Offensichtlich«, sage ich. Flos Redefluss macht mich selbst ein bisschen einsilbig. Vor ein paar Wochen auf dem Hausdach in Greenpoint war das noch eher andersrum. Was aber auch daran gelegen haben könnte, dass ich nicht nur voll war, sondern auch schon ein paar Nasen gezogen hatte. Brian hatte hinter dem Schornstein einen »private snortspace« eingerichtet und uns ständig neue Lines hingelegt. Brian Fields aus Brooklyn, New York. Der Mann, der schneller zieht als sein Schatten.
»Mann, super, dass duâs geschafft hast, hätte ich jetzt so schnell echt nicht mit gerechnet«, sagt Flo und nimmt meine Tasche.
»Ja, danke, dass ihr so kurzfristig Platz für mich habt.«
»Kein Ding, echt kein Ding. Die Sommerferien haben ja noch nicht angefangen, da ist es noch etwas ruhiger. Du bist auf jeden Fall herzlich willkommen!«
»Danke.«
»Ich sag ja immer: Gut Ding will Eile haben!« Er kneift ein Auge zusammen und schnalzt mit der Zunge. »Also, verstehst du - Eile.«
»Ja.«
»Statt Weile.«
»Ja.«
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Seine Freundin sitzt im Wagen auf dem Beifahrersitz. Ich weià nicht, ob sie auch auf der Party in Greenpoint war, sie kommt mir auf jeden Fall nicht bekannt vor. Flo hat mir am Telefon ihren Namen gesagt, aber ich habe ihn vergessen.
»Judith«, sagt sie, als ich mich ihr vorstelle. Sie bleibt im Auto sitzen, ich reiche ihr die Hand durchs offene Beifahrerfenster. Sie trägt einen Ring an der rechten Hand. Vermutlich ein Verlobungsring. Ich erinnere mich dunkel, dass Flo von seiner Verlobten gesprochen hat.
Judith trägt eine eckige kleine Brille, schlabbrige Jeans und eine weite Kapuzenjacke, obwohl es immer noch über zwanzig Grad sind. Sie ist weder klein noch groÃ, weder dick noch dünn, eher blass als braungebrannt, kurz gesagt: ziemlich unscheinbar. Sie wirkt nicht direkt unfreundlich, aber ein bisschen reserviert. Von Flos überschwänglicher Euphorie ist bei ihr jedenfalls nichts zu spüren.
Flo wuchtet meine Reisetasche in den Kofferraum des dunklen Golf und hält mir die Fahrertür auf. Ich klettere auf den Rücksitz. Er setzt sich hinters Steuer, dreht den Schlüssel um und legt einen Gang ein, und dann rollen wir den Schotterweg des winzigen Bahnhofsparkplatzes hinunter.
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»Du hast sicher Hunger, oder?«
»Ach, geht.«
»Ist doch schon Abendbrotzeit!«
Ich schaue auf die Uhr. Es ist zwanzig vor acht.
»Na ja, meine Mutter macht uns gerade einen Berg Schnittchen, können wir nachher mit runternehmen, wenn ich dir den Weinkeller zeige.«
»Ja, gut. Sag mal, kann ich hier rauchen?«
»Klar. Solange die Fenster auf sind, kein Problem.«
Ich sehe, wie Judith ihm einen verwunderten Blick zuwirft, den er ignoriert. Also tue ich dasselbe, zünde mir eine Zigarette an und nehme einen tiefen Zug.
Wir verlassen den Ort, überqueren die Mosel über eine schmale Brücke und folgen der BundesstraÃe, die zweispurig parallel zum Fluss verläuft. Auf der anderen Seite stehen vereinzelt ein paar schiefe Häuser. Sie sehen aus, als wären sie mit einem Hubschrauber hergeflogen und in die saftig grünen Hänge gesetzt worden. Die warme Juniluft bläst mir ins Gesicht. Ich lehne mich zurück und sauge den Duft ein, diesen schönen Mix aus Wald, Tabak und Benzin.
Ich rauche noch eine zweite Zigarette, und wieder meine ich einen missbilligenden Blick von Judith im Rückspiegel zu erkennen. Ich tue wieder so, als hätte ich nichts gesehen.
Wenn es sie stört, dass im Auto geraucht wird, kann sie es ja sagen. Das Dämlichste auf der Welt ist, wenn man jemandem etwas erlaubt, ihn dann aber unterschwellig spüren lässt, wie scheiÃe man das eigentlich findet.
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Kurz nachdem wir an einer kleinen Wohnwagensiedlung vorbeigekommen sind, setzt Flo den Blinker und biegt nach links ab.
»Herzlich willkommen in Renderich!« verkündet ein groÃes dunkles Holzschild mit bunten Buchstaben. Darunter ist eine groÃe Rebe mit dicken grünen Weintrauben gemalt.
»Herzlich willkommen in Renderich!«, ruft auch Flo.
»Staatlich anerkannter Erholungsort« steht in nüchternen Druckbuchstaben auf dem kleinen grünen Blechschild daneben, als wäre das eine Folklore und das andere Fakt.
Auf einem weiteren Schild sind die Zeiten des
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