Was kostet die Welt
Augen zusammen und winkt in meine Richtung.
Ich winke zurück und forme meine Lippen zu einem »Hallo«. Ich komme mir wahnsinnig dämlich vor, wie ein kleiner Junge, der im Auto zum ersten Mal vorne sitzen darf und brav dort wartet, bis Papa seine Geschäfte erledigt hat.
Andererseits ist es besser als ein richtiger Puff, wo man dann verlegen rumsteht, sich eine Frau aussucht und sich die ganze Zeit irgendwie schämt. So stelle ich mir das zumindest vor. Hier dagegen kann ich in Ruhe im Auto sitzen bleiben und rauchen und trinken, während Marek sein Nümmerchen schiebt.
Ich finde eine weitere Dose Bier hinter dem Sitz und öffne sie. Dann zünde ich mir eine Zigarette an und kurble das Fenster herunter. Ich strecke meinen Kopf heraus,
mache kein Geräusch, horche. Wind in den Bäumen, aber keine Ficklaute. Das Wohnmobil wackelt auch nicht. Das wäre ja auch noch schöner. Als wenn die ganze Situation hier nicht sowieso schon cartoonmäÃig genug wäre.
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Nach drei Zigarettenlängen fällt ein Lichtstrahl auf den Parkplatz. Marek kommt aus der offenen Wohnmobiltür und zieht sich tatsächlich den ReiÃverschluss seiner Jeans hoch. Den hat er mit Sicherheit extra offen gelassen, bis er rauskommt, weil er denkt, dass das unheimlich cool aussieht. Er grinst dabei auch so schäbig.
Er öffnet die Fahrertür, lässt sich auf den Sitz fallen und atmet geräuschvoll aus, als hätte er gerade einen Halbmarathon hinter sich gebracht. Langsam dreht er sich zu mir um, legt seinen Daumen auf Zeige- und Mittelfinger, führt die Finger zum Mund und küsst sie trocken. Eine irgendwie italienische Geste. Vielleicht aber auch das internationale Gütezeichen der Playboys und Lebemänner mit Geschmack, auch und gerade hier in der Eifel, am Arsch der Heide.
»Tanja! Geile Sau!«, sagt er schwärmerisch. »Sauber und geil. Kannst du alles machen. Wartet schon!«
»Nein, danke«, lache ich.
»Los!«, ruft Marek. Er hat seine Augen weit aufgerissen und lacht nicht.
»Ach nee, muss nicht sein.«
»Wieso, was ist?«
»Nichts ist.«
»Schwul?«
»Nein.«
»Na also!«
»Was, na also ?«
»Liegt und wartet. Los!«
Er macht keinerlei Anstalten, den Wagen zu starten. Sieht mich nur an mit ernstem Blick, als wäre es ihm wirklich wichtig, dass ich dort reingehe, als wäre er persönlich enttäuscht, wenn ich seinen Insider-Tipp ablehnen und Tanja verschmähen würde.
»Los!«, ruft er nochmal, und am liebsten würde ich ihm sagen, dass er gefälligst die Fresse halten und losfahren soll. Stattdessen habe ich auf einmal den Türgriff in der Hand und steige aus. Ich habe keine Ahnung, warum. Marek grinst mich an und zeigt mir einen erhobenen Daumen. Ich gehe die fünf Schritte zum Wohnmobil und klopfe dreimal kurz gegen die Tür. Sie öffnet sich sofort. Tanja hat anscheinend wirklich auf mich gewartet.
»Na, wen hat der Marek denn da mitgebracht?«
»Hallo. Tommy«, sage ich und strecke die Hand aus, was mir im selben Augenblick völlig unpassend vorkommt, ich bin hier ja nicht der Klempner. Und wie komme ich ausgerechnet auf Tommy ?
»Freut mich, Tommy. Ich bin die Tanja.«
»Ja. Hallo.«
»Na, dann mal rein mit dir in die gute Stube.«
Innen wirkt das Wohnmobil kleiner als von auÃen. Ansonsten sieht es aber genauso aus, wie ich mir das Innere eines Wohnmobils immer vorgestellt habe. Wobei ich mir genaugenommen noch nie das Innere eines Wohnmobils vorgestellt habe.
In der Ecke gibt es einen Tisch mit einem kleinen Fernseher und einer roten Siebziger-Jahre-Lampe, die für gedämpftes Licht sorgt. Die andere Hälfte des Raums besteht nur aus Bett. Es ist mit einer weiÃen Spitzenbettdecke bedeckt, die bestimmt schon ganz steif ist vor lauter Sperma und Sekret.
Tanja ist stark geschminkt. Vielleicht ist sie sogar ganz hübsch, aber ihr professionelles Prostituiertenoutfit täuscht erfolgreich darüber hinweg. Enge Corsage, kurzer Rock, weiÃe Stiefel. Ich frage mich, ob das nicht furchtbar unbequem ist. Ich weià ja nicht, wie oft hier ein Auto hält, aber ich nehme an, dass Tanja die meiste Zeit in ihrem Gefährt hockt, mit einer Zeitschrift in der Hand oder was zu stricken. Da kann man doch etwas deutlich Gemütlicheres tragen. Ist ja auch nicht gerade die Oranienburger StraÃe hier, wo es von Konkurrenz nur so
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