Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Was kostet die Welt

Titel: Was kostet die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel
Vom Netzwerk:
können. Diese nach Unsterblichkeit lechzenden Möbelschänder verrecken hoffentlich gerade in einer dreckigen Klokabine eines Fastfoodrestaurants in Tijuana an gepanschten Drogen.
    Â 
    Â»Und, war geil?«
    Marek steht neben mir in der offenen Fahrertür. Wir haben nach kurzer Fahrt zum Pissen angehalten und schiffen nun in die dunkle Nacht. Etwas Schweres legt sich auf meine
Schultern. Läuft mir von da aus kalt den Rücken runter. Es ist die Art, wie er das Wort »geil« sagt.
    Â»Ja«, sage ich.
    Â»Was hab ich gesagt … Tanja, geile Sau.«
    Â»Ja«, sage ich.
    Wir verstauen unsere Schwänze, und fast ist es mir peinlich, auch einen zu haben. Jede Gemeinsamkeit mit dem Jeansfuzzi neben mir ist plötzlich unerträglich. Er ist nicht mehr der sympathische Außenseiter von vorhin, sondern nur noch ein ganz armes Würstchen. Kein Mitstreiter im Kampf gegen die dröge Banalität des Alltags, bloß ein weiterer Vollidiot, der einzig und allein aufgrund seiner Herkunft nicht in den Kreis der Stammtischprolls aufgenommen wird, sich mit seinem Gelaber von Scheißrussen und geilen Säuen aber kaum von ihnen unterscheidet.
    Wahrscheinlich ficken sie nach Feierabend sogar dieselbe Frau, oder die gleiche, was weiß ich. Auch seine Zahnlücke wirkt nicht mehr ansatzweise cool, sondern höchstens noch geil - im höchst ungeilen Sinne.
    Wir steigen wieder ein und fahren weiter. In meiner Hosentasche steckt noch das labbrige Kondom. Das war dann also mein erster gekaufter Sex. Wenn ich eine To-do-Liste hätte, würde ich jetzt einen Haken machen. Ein für alle Mal. Vielleicht sollte ich nachträglich eine solche Liste anlegen, »Zu einer Prostituierten gehen und nicht kommen« draufschreiben und das dann abhaken, das wäre sicher ein gutes Gefühl.
    Zu einer Prostituierten gehen und nicht kommen, das muss man auch erst mal schaffen. Ich mein, kann ja mal passieren. Ich bin ja auch schon ziemlich betrunken. Und so.
    Ach, hilft alles nichts. Realität ist, wenn man nicht löschen und zurückspulen kann.

    Warum bin ich jetzt nicht bei Verena?
    Warum gehe ich nicht mal ran, wenn sie anruft?
    Andere würden sich die Finger nach einer wie ihr lecken. Marek, die Stammtischprolls - sie alle werden niemals auch nur in die Nähe einer solchen Frau kommen.
    Â 
    Wir schweigen. Ich will nichts mehr von Marek wissen, was bedeutet, dass wir gar nicht mehr kommunizieren. Der Rückweg kommt mir dementsprechend lang vor. Marek fährt auch nicht mehr so schnell wie auf dem Hinweg. Er muss sich bei Tanja völlig verausgabt haben. Quälend langsam kriecht der Diesel die düstere Landstraße entlang.
    Ich zünde mir eine Zigarette an, kurble das Fenster herunter und lasse den Fahrtwind mein Gesicht streicheln.
    Â»Kannst du Fenster hochmachen«, sagt Marek. Es war keine Frage.
    Ich kurble das Fenster wieder hoch und starre wie hypnotisiert geradeaus. Die Poller am Wegesrand blitzen im Lichtkegel des Wagens auf wie Glühwürmchen. Links und rechts von uns eine Wand aus Wald. Bäume wie Mauern. Feindliches Territorium. Das mächtige Gebiet von Pflanzen und Tieren, durch das für Leute wie uns eine sinnlose Schneise geschlagen wurde, um sinnlose Punkte zu verbinden, damit sinnlose Transaktionen durchgeführt werden können. Mit einem Mal erscheint es mir völlig absurd, hier zu sein, wo die Vögel sind, die Würmer, die Wildschweine, die Rehe.
    Wald, Sterne, Mond. Kulisse und Klimbim.
    Muss man sich denn überall einmischen?
    Muss man sich denn überall breitmachen?
    Kann man sich denn nicht einfach mal gegenseitig in Ruhe lassen?

    Und wieso stellt dieser Denimdämon nicht mal das Radio an? Ist ja nicht zu ertragen, diese Stille, diese fiese Nähe unserer tristen Fickergemeinschaft.
    Wie es wohl wäre, ihn jetzt einfach zum Anhalten zu bringen.
    Â 
    Hey Marek, fahr mal rechts ran und lass mich raus. Ich lauf lieber nach Hause, als mit einem deprimierenden Opfer wie dir weiter in dieser Scheißkarre zu sitzen.
    Â 
    Einfach auszusteigen. Loszugehen und zuzusehen, wie die Rücklichter des Bauernbenz hinter der nächsten Kurve verschwinden. So weit ist es auch nicht mehr bis nach Renderich. Und es ist niemand da, vor dem ich mir blöd vorkommen muss. Mich kennt hier ja keiner.
    Aber stimmt das überhaupt? Oder bin ich schon einer von ihnen, nach anderthalb Tagen Aufenthalt bereits mit einem Fuß verheddert

Weitere Kostenlose Bücher