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Was kostet die Welt

Titel: Was kostet die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel
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Sein Vater hat den ganzen Kofferraum voller Lebensmittel gepackt, als sie Mitte Mai nach Deutschland aufgebrochen sind. Pierogi, Bigos, Wurst, Gurken, Kuchen. Alles von der Mutter zubereitet, verpackt und in Kühlboxen transportiert, weil Stanislaw das polnische Essen während der Sommermonate immer so vermisst.
    Das Bier ist lauwarm, aber abgesehen von der Temperatur schmeckt es überraschend gut. Ich weiß gar nicht, ob ich das vorher schon mal getrunken habe. Wir hatten mal
Tyskie im Sortiment, auch eine polnische Marke. Aber die hat nie jemand bestellt, da hat Yolanda sie wieder rausgenommen. Ist ja auch nicht gerade ein Spezialitätenladen, das Radetzky, sondern eher die Sorte Kneipe, für die es im Englischen den schönen Ausdruck »Dive Bar« gibt. Ich denke manchmal, wir könnten auch Sterni ausschenken, die Leute würden trotzdem kommen und saufen wie die Löcher.
    Marek leert die Dose in zwei Zügen, zerknüllt sie in der Hand und wirft sie aus dem offenen Fenster. Die Dose klappert drei- oder viermal auf der Straße und verschwindet dann geräuschlos im Wald.
    Â 
    Ich habe keine Ahnung, wo wir sind. Seit zwanzig Minuten sind wir durch keine Ortschaft gekommen. Aber Marek ist jetzt aufgetaut, er erzählt von ganz alleine. Von dem Mädchen, das er vor zweieinhalb Jahren kennengelernt hat. Agnes. Er benutzt auch hier wieder die deutsche Version des Namens, aber ich weiß, dass es auf Polnisch Agnieszka heißt, was ja wohl viel besser klingt. Sogar, wenn ein Mann es ausspricht.
    Marek und Agnes wollten heiraten und Kinder kriegen, sobald er einen festen Job gefunden hätte. Aber letzten Sommer, während seiner Zeit hier an der Mosel, hat sie ihn verlassen. Wegen eines Russen. »Hurensohn, kurwa!«, sagt Marek und drischt aufs Lenkrad. Er lässt ein paar Tiraden gegen die »Scheißrussen« vom Stapel und klingt dabei fast wie der Alphawolf vorhin. Ich sage nichts. Trinke mein Bier aus. Spiele am Verschluss der Dose herum, bis Marek zwei weitere Dosen hervorkramt und mir eine unter die Nase hält. Sie scheinen irgendwo hinter mir in einem unsichtbaren Gebüsch zu wachsen.

    Â»Erzähl nicht Familie«, sagt er, als wir das Ortsschild von Wittlich passieren. Ich verstehe erst nicht, was er meint, nicke trotzdem.
    Â»Muss Scheff nicht wissen«, sagt er, und da verstehe ich, dass er die Arends meint, und das Bier, und die ganze Situation hier.
    Â»Ehrenwort«, sage ich.
    Ich glaube nicht, dass er das Wort kennt. Die Aussage aber versteht er. Er hält mir die Hand hin, damit ich abklatschen kann.
    Ich klatsche ab.
    Â 
    Â»Sag mal, wo fahren wir eigentlich hin?«
    Â»Puff.«
    Â»Ja, aber wo ist der Puff?«
    Â»Gleich da.«
    Â»Ich meine, wie heißt die Stadt, also, der Ort?«
    Marek zuckt mit den Schultern und grinst. Er fasst sich zwischen die Beine und brummt wie ein angeschossener Bär. »Aaaah, Tanja, geile Frau!« Mir wird ein bisschen mulmig zumute. Ich habe auf der Fahrt fast vergessen, dass wir ja tatsächlich zu einem Bordell unterwegs sind. Und wahrscheinlich nicht, um dort nur lustig abzuhängen, sondern um zu bumsen. Was das wohl für ein Laden ist, hier in dieser Einöde, mitten im Nichts. Wittlich jedenfalls haben wir nur gestreift, längst sind wir wieder auf irgendeiner verlassenen Landstraße Richtung was weiß ich wo, Belgien oder Holland oder was da irgendwann kommt.
    Der Diesel durchschifft von einem Fahrbahnrand zum anderen eine scharfe Links-rechts-Kurve, dann setzt Marek den Blinker.

    Â»Musst du schnell bremsen, sonst bist du vorbei«, sagt er.
    Â»Na ja, das gilt hier in der Gegend ja eigentlich für alles«, sage ich.
    Marek reißt das Lenkrad herum und tritt auf die Bremse. Der Mercedes kommt auf einem kleinen, dunklen Parkplatz zum Stehen.
    Â 
    Das, was Marek als »Puff« bezeichnet hat, stellt sich als ein an der Landstraße stehendes Wohnmobil heraus. Der Arbeitsplatz von Tanja. Ein kleines rotes Herzchen blinkt in der Windschutzscheibe.
    Er steigt aus und bedeutet mir mit der rechten Hand, sitzen zu bleiben. Ich sehe, wie er an die Tür klopft. Die Tür geht nach außen auf, ein Kopf mit einem blonden Zopf kommt zum Vorschein. Marek und die Frau begrüßen sich mit Küsschen links-rechts. Als wären sie alte Bekannte, die sich hier zum Kaffeekränzchen treffen. Er sagt irgendetwas und macht eine Kopfbewegung Richtung Auto. Tanja kneift die

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