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Was mehr wird wenn wir teilen - Vom gesellschaftlichen Wert der Gemeingueter

Was mehr wird wenn wir teilen - Vom gesellschaftlichen Wert der Gemeingueter

Titel: Was mehr wird wenn wir teilen - Vom gesellschaftlichen Wert der Gemeingueter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elinor Ostrom Silke Helfrich
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reagieren. In diesen Experimenten bekommen Bürger und Funktionäre Zugang zu lokalem Wissen, sie erhalten schnelles Feedback über die Auswirkungen der von ihnen erprobten Veränderungen und sie können von den Erfahrungen anderer in Paralleleinheiten lernen. Statt die Leistung des Gesamtsystems zu mindern, sorgt Redundanz also dafür, dass sie erheblich zunimmt. Wenn hingegen nur eine Institution, etwa die Regierung, für einen großengeografischen Raum zuständig ist, und wenn diese Institution dann nicht den Mut hat, auf Bedrohungen von außen angemessen zu reagieren, kann das zu einer Katastrophe größeren Ausmaßes führen. Wenn es auf verschiedenen Ebenen mehrere, unterschiedliche Steuerungseinheiten für eine geografische Region gibt, dann wird die Katastrophe geringer sein, wenn eine oder mehrere dieser Einheiten nicht angemessen auf eine Bedrohung reagieren oder ganz ausfallen. Ausgleich kann stattfinden.
    Redundanz spielt in der Gestaltung robuster physischer Systeme, egal ob Bewässerungssysteme, Trinkwasser- oder Gesundheitsversorgung, eine sehr wichtige Rolle. Hier kann die politische Beratungsbranche viel lernen. So wie man viel durch das gründliche Studium des menschlichen Immunsystems lernen kann; etwa wie das Immunsystem es schafft, mit externen Bedrohungen durch Viren umzugehen. Das Immunsystem verfügt über eine große Zahl scheinbar redundanter Systeme, die in der Lage sind, immer wieder Neues zu kombinieren und zu rekombinieren. So wehrt der menschliche Körper Infektionen ab. Redundanz ist ein Mittel, um Systeme auch bei negativen äußeren Einflüssen oder inneren Funktionsstörungen am Laufen zu halten.
    Früher haben politische Analysten polyzentrische Systeme oft als »höchst ineffizient« kritisiert, weil sie zu redundant seien. Diese Kritik beruht meiner Ansicht nach auf theoretischen Überlegungen, die sich wiederum auf »unverrückbare« Annahmen darüber stützten, wie eine optimale Verwaltungs praxis auszusehen habe. Sie konnten das in derPraxis nicht belegen. Schon die reine Aufzählung der Regulierungsinstan zen in einer Region wurde von einigen Wissenschaftlern als ausreichend angesehen, um »ineffiziente Regierungsfüh rung« nachzuweisen. In den Vereinigten Staaten und in Westeuropa hat das im vergangenen Jahrhundert zu mas siven Konsolidierungskampagnen geführt. Anders ausgedrückt: Es ging darum, den Staat zu »verschlanken« und «überlappende, redundante Verwaltungseinheiten« abzuschaffen, selbst wenn diese von der Bevölkerung energisch verteidigt wurden. Die praxisbezogene Forschung hat jetzt gezeigt, dass polyzentrische Systeme bei ähnlichen oder geringeren Kosten in der Steuerung ökologischer, städtebaulicher und sozialer Systeme mehr leisten als vergleichbare monozentrische Systeme.
    Für die Entwicklung einer besseren Theorie zur Regierungsführung müssen wir also die Störanfälligkeit von Governance-Systemen genauer untersuchen. Das ist sehr wichtig. Die Entwicklung dieser Theorie ist von der Erkenntnis geleitet, dass soziobiophysikalische Systeme nie statisch sind und wir daher für robuste Systeme ein gehöriges Maß an Redundanz benötigen, damit sie auf starke Einwirkung von außen reagieren können und damit Lernprozesse in Gang kommen.
    Interdisziplinarität. Ohne sie ist alles nichts
    Betrachtet man also die analytischen Herausforderungen aus der Perspektive polyzentrischer Governance-Systemeund vergegenwärtigt man sich, dass wir es dabei mit komplexen adaptiven Systemen zu tun haben, so wird deutlich: Interdisziplinarität ist nicht nur eine Option unter vielen. Sie ist schlicht unvermeidlich.
    Und das gilt in unserem Forschungsbereich weit über die Sozialwissenschaften hinaus. In Die Verfassung der Allmende habe ich zum Beispiel die Ansätze von Wissenschaftlern, die den »neuen Institutionalismus«* vertreten, mit den Ansätzen der Biologen in ihren praktischen Untersuchungen kombiniert. Die Institutionalisten gehen davon aus, dass jeder Einzelne versucht, Probleme so effektiv wie möglich zu lösen und dabei bemüht ist zu verstehen, welche Faktoren dies befördern und welche Faktoren effektive Problemlösung eher behindern. Wenn aber die Probleme, die wir im Blick haben, unvorhersehbare Dinge einschließen, wenn es an korrekten Informationen fehlt oder mangelndes Vertrauen herrscht, und wenn diese Probleme zudem hochgradig komplex sind, dann müssen wir das im Herangehen an die Problemlösung berücksichtigen. Wir können Komplexität nicht

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