Was mehr wird wenn wir teilen - Vom gesellschaftlichen Wert der Gemeingueter
über vereinfachende Grundannahmen ausblenden. Wir müssen lernen, mit ihr umzugehen.
Die Strategie der Biologen besteht darin, den denkbar einfachsten Organismus zu identifizieren, in dem der zu untersuchende Prozess sich in reinster oder gar übertriebener Form darstellt. Die Biologen nennen dies einen Modellorganismus. Ein Modellorganismus wird nicht etwa ausgesucht, weil er für alle Organismen repräsentativ ist, sondern weil bestimmte Prozesse in ihm effizienter analysiert werdenkönnen als in anderen Organismen. Es ist auch keine »zufällige« Auswahl, sondern es werden solche Organismen gewählt, die eine möglichst klare Auskunft über die beteiligten Prozesse liefern können. Von diesem Verfahren können wir Sozialwissenschaftler uns etwas abschauen, auch wenn bei aller Interdisziplinarität und Verallgemeinerbarkeit klar bleibt, dass es wichtige Unterschiede zwischen den Sozial- und den Naturwissenschaften gibt. Das dürfen wir nicht aus den Augen verlieren.
Selbstorganisation. Neue Antworten auf alte Fragen
Mein »Organismus« war immer eine spezifische Form einer sozialen Situation: die gemeinsame Nutzung einer Ressource.
Kollegen und ich haben viele dieser Situationen untersucht. Wir haben uns dabei unterschiedlicher Theorien und Experimente bedient, haben Fallstudien und vergleichende Studien durchgeführt und uns auch auf statistische Erhebungen gestützt.
So konnten wir mehrere Methoden entwickeln, um etwas darüber auszusagen, warum es einigen Menschen gelingt, sich zu organisieren und ihre Ressourcen selbst zu verwalten und anderen nicht. Wir glauben, dass solche Aussagen einen Beitrag zur Entwicklung einer belastbaren allgemeingültigen Theorie der Selbstorganisation und Selbstverwaltung leisten.
Komplexe adaptive Systeme beinhalten stets Lernprozesse. Wissen, bedingte Handlungen und die Fähigkeit vorauszuschauen spielen hier eine ganz wichtige Rolle.
Unsere wichtigsten Forschungsfragen haben das im Blick:
Wie gelingt es fehlbaren Menschen, selbst verwaltete Institutionen zu unterhalten und ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen?
Wie können Einzelne auf die Regeln, die ihrem Leben Struktur geben, Einfluss nehmen?
Ähnliche Fragen wurden schon von Aristoteles und anderen bedeutenden Philosophen gestellt. Sie entsprachen seit jeher den Anliegen der Madisons, Hamiltons und de Tocquevilles. Heute sind es die Fragen, die Politologen, Ökonomen, Geografen, Soziologen, Psychologen, Anthropologen und Historiker zusammenbringen. Sie alle studieren die Auswirkungen institutioneller Regeln auf menschliches Verhalten und sie tun das in sehr verschiedenen Institutionen und Ländern sowie unter verschiedenen geografischen Bedingungen.
Gemeingüter pflegen – lokal und global
Wir begeben uns nun auf eine Reise durch die Zeit. Elinor Ostrom blickt auf gut zwei Jahrzehnte Ressourcenmanagement zurück und analysiert im folgenden Text, wie es um die globalen Gemeinressourcen steht. Von der Kapazität der Atmosphäre, Kohlendioxid oder Schadstoffemissionen aufzunehmen sowie von der Vielfalt der Lebensformen, die die Wälder und die Weltmeere uns bieten, sind wir alle abhängig, ganz gleich in welchem Land und in welcher Wirtschaftsform wir leben.
Ostrom konzentriert sich hier auf globale Fischbestände und Wälder. Das ist erhellend, denn auf diese Weise können wir auf der einen Seite eine Ressource betrachten, die trotz verschiedener Regulierungsversuche nach wie vor als Niemandsland behandelt wird (Ozeane und Fischbestände). Auf der anderen Seite steht eine Ressource, die in der Regel mit klaren, wenngleich verschiedenen Eigentumsrechten belegt ist. In anderen Worten: Die Rahmenbedingungen könnten unterschiedlicher nicht sein.
»Während der offene Zugang zum Meer, […] eine der Hauptursachen der Überfischung ist, kann man fehlendeEigentumsrechte nicht für […] die Entwaldung verantwortlich machen«, schreibt Ostrom.
Die Erkenntnis ist: So wie »niemandes Eigentum« nicht mit den Commons zu verwechseln ist, so macht auch Gemeineigentum allein noch kein Commons. Vielmehr können Gemeingüter in sehr unterschiedlichen, oft kombinierten Besitz- und Nutzungsformen ihr Potenzial entfalten.
Doch jedwede Besitz- und Verwaltungsform – wenn sie erfolgreich sein will – muss dafür sorgen, dass die Nutzer selbst die Kontrolle nicht verlieren, dass sie Verantwortung für das Gemeingut übernehmen können und es ihnen leicht gemacht wird zu kooperieren.
Silke Helfrich
Am Anfang war eine
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