Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman
einem Stein hervor, wo es zwei Schritte vom Lagerplatz entfernt gedöst hatte, hielt es mit ausgestrecktem Arm vor sich, versetzte ihm einen Hieb mit dem Stock und schlug ihm anschließend mit einem Stein auf den Kopf. Das Tier, das sich nur einen Augenblick zuvor gewunden und gefaucht hatte, das zubeißen und fliehen wollte, war nun ein lebloses Ding, das man irgendwo liegen ließ, bis es abends verspeist werden würde. Seine Geschichte, wie immer sie in der stummen Welt der Reptilien verlaufen war, endete genau hier und jetzt, mit einem zerschmetterten Schädel. Es war vorbei.
Narcisse hatte an den Schiffsjungen zurückdenken müssen, jenen Jungen aus Quimper, der eine Woche lang bei Windstille mit dem Tod gerungen hatte. Inmitten des Indischen Ozeans, über den nicht die leiseste Brise wehte, lag der Kleine vor dem Hauptmast und litt, übergab sich, weinte, betete, stöhnte. Eines Sonntagmittags hatte er aufgehört zu atmen, und es war vorbei. Zwei Stunden darauf warf man seinen Körper mit einem schnellen Gebet ins Meer, danach war kein Wort mehr darüber verloren worden. Was gab es auch zu sagen? Sollte man bedauern, dass seine Qualen nicht angedauert, diepulvrigen Heilmittel des Steuermanns seine Leiden nicht verlängert hatten? Bis Australien hätte er unmöglich durchgehalten.
Wer von ihnen durfte sich glücklicher schätzen, der Schiffsjunge aus Quimper oder der Matrose aus Saint-Gilles? Würden die Eltern nicht jeweils den gleichen Brief erhalten und den gleichen Schmerz empfinden? Narcisse ist es nicht gelungen, in die Welt der Weißen zurückzukehren, er ist im Wüstensand versunken, so wie der Schiffsjunge in den Tiefen des Ozeans. Er selbst ist am Leben geblieben, doch in gewisser Weise, noch ohne es recht fassen zu können, weiß er plötzlich, dass er tot ist. Und der Tod erscheint ihm nunmehr weniger fremd und schrecklich.
Er ist auch bei Neumond gestorben, als Quartiersmeister und Narbe ihn nach endlosen Klagegesängen und Räucherungen des Chefs und der Alten auffordern, ihnen zur Feuerstelle zu folgen. Vor dem ganzen Stamm, der aufmerksam zusieht, nimmt Narbe einen langen Dorn, den er vorher in die Flamme gehalten und mit einer schwärzlichen Paste eingerieben hat. Die Stimme von Quartiersmeister erhebt sich dreimal zu einem Singsang, dann zeigt er auf die linke Schulter. Narbe sticht mit dem Dorn mehrmals hinein und zeichnet eine gepunktete Linie.
Er beißt die Zähne zusammen und schweigt. Der Schmerz ist unerträglich, ebenso wie der Rauch, den ihm die Alte in die Nase bläst. Seine Tätowierung zeigt ein einfaches Motiv, so wie das von Waiakh und den anderen Kindern. Die Tätowierungen der Jugendlichen bedecken Arme und Oberschenkel. Die Männer sind fast am ganzen Körper davon bedeckt.
Er hält es für selbstverständlich, jetzt ebenfalls tätowiert zu werden. Nicht wie die Matrosen. Er weiß, dass er tot ist, dass diese Stiche ihn nicht treffen, dass er für Quartiersmeister, Narbe und alle diese Wilden unerreichbar ist. Wie soll man in ihrer Mitte nicht sterben, im Dreck, im Sand, in diesem endlosen Busch?
Am Abend, als die Sonne hinter den Bäumen mit jener für die Tropen typischen Schnelligkeit untergeht, denkt er an den Tod. Jene Sonne, deren Namen er in ihrer Sprache trägt, versinkt und weicht der Angst und dem Nichts. Der Bootsmann hat ihm erklärt, auch wenn er sich nicht mehr gut daran erinnert, dass, wenn die Sonne in diesem Teil der Welt untergeht, sie im selben Augenblick in Saint-Gilles aufgeht. Doch weil er sich nicht mit einem Schiffchen an die Sonne hängen und den Weg mit ihr zurücklegen kann, bleibt ihm nur, jeden Tag ihr plötzliches Untergehen mitzuverfolgen, was ihn aufwühlt. Die Vorstellung, dass mit der gleichen Gesetzmäßigkeit ein Tagesanbruch bevorsteht, tröstet ihn nicht. Die Farben werden verschwinden, bis inmitten der Schatten nur noch die Feuerstelle ihr absurdes Rot aussendet. Welche Laterne leuchtet noch, wenn der Tod kommt?
Am Mittag, als in der drückenden Hitze der hoch stehenden Sonne alles siedet und zerfließt, denkt er an den Tod. Flimmernde Bäume, flirrende Gestalten in der heißen Luft, die man kaum atmen kann, Gedanken, die zerschmelzen, planlos hin und her kriechen, das niederdrückende Gewicht des eigenen nutzlosen Körpers in Ruhestellung, fühlt sich so nicht das Jenseits an? Oder vielmehr die letzten Augenblicke des Abschiednehmens, wenn nach und nach alles erlischt, wenn die Sinne, einer nach dem anderen, sich verschließen wie
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