Was mit Rose geschah
ohne Vorwarnung an und verschwinden ebenso plötzlich. Ich sehe Dinge, von denen ich genau weiß, dass sie nicht da sind. Meistens – und ich weiß nicht, womit ich das verdient habe – sind die Visionen angsterregend und grauenhaft. Ganz anders als auf Acid, wo es, soweit ich mich erinnere, verwunderlich, albern und ausgesprochen witzig zuging. Doch diesmal bemerkte ich, bevor die Hund-Frau erschien, etwas Seltsames an den Vorhängen. Sie blähten sich auf außergewöhnliche Weise. Keine gute Beschreibung, aber es gibt keine besseren Worte, um so etwas zu schildern.
Sie ist eine Fremde, hat aber etwas Vertrautes. Eine unangenehme Vertrautheit – so wie wenn man auf der Straße einem Mann mittleren Alters begegnet und begreift, dass man ihn zuletzt in der Schule gesehen hat und sich das eigene Gesicht ebenso verändert haben muss. Die Kreatur reitet mich wie zuvor, und dennoch quält mich die Angst, dass sie es nicht will, dass ich sie auf irgendeine Weise dazu gezwungen habe. Über allem hängt eine Atmosphäre des … Widerwillens. Dieser Widerwille mag von mir stammen, aber ich komme nicht dagegen an. Dann, in diesem Traum – ein besseres Wort fällt mir nicht ein –, fängt sie an, mich zu verschlingen. Sie hat lange Zähne. Sie hat auch Klauen und zu viele Köpfe. Sie ist keine Frau mehr, sondern ein Geschöpf des Grauens. Ich bin gelähmt und stumm, kann mir nicht helfen. Das Ding greift in meine Brust – der Schmerz ist entsetzlich – und reißt etwas aus mir heraus. Es ist meine Scham,der Teil von mir, den ich am meisten verachte; das Ding, ohne das ich nicht leben kann.
Rose?, denke ich. Aber warum?
Ich bin erleichtert, als Dr. Zybnieska mit ihrem Klemmbrett hereinmarschiert und sich neben mein Bett setzt. Sie wirkt ungewöhnlich selbstzufrieden.
»Nun, Ray, wie geht es uns heute Morgen?«
Die Lautstärke ihrer Stimme trifft mich jedes Mal wie ein Schock. Ich versuche, nicht zusammenzuzucken.
»Ganz gut«, murmele ich. Meine Stimme klingt für meine Ohren recht normal.
»Schön. Albträume in der letzten Nacht?«
Ich schüttle entschieden den Kopf.
Sie beugt sich vor und untersucht meine linke Hand. Dann notiert sie etwas auf ihrem Klemmbrett. Wirft einen Blick auf die Kurve über meinem Bett.
»Und die rechte Hand? Immer noch nichts?«
Ich hebe den Kopf und sehe nach, ob sie noch da ist. Bewegen kann ich sie nicht, also ist das die einzige Möglichkeit, mir Sicherheit zu verschaffen.
Sie holt ein Metallinstrument hervor und drückt es in das Fleisch an meinem Handgelenk. Ich spüre gar nichts. Sie notiert wieder etwas.
»In Ordnung. Wir haben endlich einige Untersuchungsergebnisse.« Sie wirkt aufgeregt, als wollte sie eine Pointe anbringen. »Die toxikologische Untersuchung hat in Ihrem Körper diverse Spuren von Tropanalkaloiden nachgewiesen!«
Ich sage nichts, weil mir nichts dazu einfällt.
»Wir haben Spuren von Scopolamin, Hyoscyamin und auch Ergotamin gefunden. Das erklärt die Halluzinationen.«
Halluzinationen. Gott sei Dank. Ich danke dir, Gott. Es war nicht wirklich. Es war nichts und niemand da, nie. Ich versuche, es mir begreiflich zu machen, aber …
»Wissen Sie, worum es sich dabei handelt?«, fragt sie.
»Nein.«
»Es sind Alkaloide, die aus Giftpflanzen stammen. Genauer gesagt, sie haben eine psychotrope Wirkung. Haben Sie experimentiert? Einen Trip geschmissen? Versehentlich eine Überdosis genommen?«
Ich schüttle so entschieden wie möglich den Kopf. Die Tage meiner Experimente sind lange vorbei, und ich habe nie einen schlechten Trip erlebt, der auch nur ansatzweise an dieses Grauen herangereicht hätte.
»Sie müssen zwei oder drei verschiedene Giftpflanzen eingenommen haben, um solche Auswirkungen zu erleben. Wissen Sie, wie das passiert ist? Ziehen Sie Ihr eigenes Gemüse? Haben Sie Pilze gesammelt?«
Ich schüttle erneute den Kopf und denke, sie sollte mal den Inhalt meines Kühlschranks sehen. Genau wie mein Vater, der als Kind Erfahrungen mit selbst gesammeltem Essen gemacht hatte und seither ein glühender Anhänger industriell hergestellter Nahrung war, weiß ich, dass »natürlich« nicht immer »gut« ist.
Sie notiert sich wieder etwas.
»Seltsam. Ergotamin … Wissen Sie, was das ist?«
»Nein.«
»Der gängigere Name lautet Mutterkorn.«
Auch das sagt mir nicht viel. Die ganze Sache scheint sie aufzumuntern. Ich selbst finde es weniger anregend.
»Mutterkorn ist ein Pilz, der auf Getreide wächst. Wenn keine Fungizide eingesetzt werden,
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