Was mit Rose geschah
altehrwürdiger Zigeuneranführer auf einem romantischen Gemälde oder ein gut aussehender älterer rai auf einem Kinderbuch . Und ich dachte, die wären ausgestorben.
Von seinem Platz aus schüttelt er mir fest die Hand.
»Freut mich, Mr Janko … vielen Dank.«
Ich nehme Platz.
»Kath, mach uns doch einen Tee.«
Er spricht, ohne sie anzuschauen. Sie geht durch den Wohnwagen, der die Form eines Schlüssellochs hat, in die Küche und setzt einen Kessel auf den Herd.
»Vielleicht möchte Mr Lovell auch ein Schlückchen von was anderem.«
»Oh nein, es ist absolut … «
»Ich aber.«
Kath funkelt ihren Bruder an, knallt die Teedose hin und verlässt den Wohnwagen. Tene stützt die Ellbogen auf den Tisch und schaut mich an.
»Sie haben einen hübschen Wohnwagen, Mr Janko.«
»Danke. Ich habe ihn so gelassen, wie er war, als meine Frau noch lebte.«
»Oh … es tut mir leid …«
»Sie sind also Privatdetektiv. Hab noch nie einen getroffen.«
»Da haben Sie nicht viel versäumt.«
»Ich komme mir vor wie im Film.«
»Na ja … so aufregend ist es nun auch wieder nicht, Mr Janko.«
»Nennen Sie mich Tene.«
»Ein ungewöhnlicher Name.«
»Ein alter Familienname. Aber Sie sind ein Romanichal, deshalb kennen Sie solche Namen nicht.«
»Mein Vater ist sesshaft geworden. Meine Mutter war eine gorjio. «
»Trotzdem sind Sie immer noch ein Lovell.«
»Ja.«
»Ich dachte, alle Privatdetektive wären früher Polizisten gewesen, aber irgendetwas sagt mir, dass das auf Sie nicht zutrifft. Und Sie waren auch nicht beim Militär.«
»Ich habe nach dem Studium für einen Privatdetektiv gearbeitet. Und Gefallen daran gefunden.«
»Studium? Sie haben es geschafft. Ihr Dad muss stolz auf Sie sein.«
»Er ist inzwischen verstorben. Aber ja, er war stolz.«
»Er war Briefträger, oder? Bart Lovell.«
Er versetzt mir damit einen sanften Schock, und ich muss tief durchatmen.
»Das stimmt. Haben Sie ihn gekannt?«
Tene schüttelt den zotteligen Kopf. »Er fuhr nicht zu den Jahrmärkten, oder? Nicht nach Epsom oder Stowe.«
»Nein, er war, wie Sie schon sagten, Briefträger. Er hatte nicht so viel Urlaub.«
Tene nickt. »Wir hingegen sind immer auf der Straße geblieben.«
»Das muss heutzutage ganz schön schwer sein.«
Er zuckt mit den Schultern.
»Woher stammt Ihre Familie? Den Namen Janko kenne ich nicht.«
»Mein Urgroßvater ist im vergangenen Jahrhundert mit den Kalderasch hergekommen. Vom Balkan, das war damals noch das Osmanische Reich. Aber er vergaß, nach Hause zurückzukehren. Heiratete ein Romanichal -Mädchen namens Talaitha Lee. Und es hieß, ihre Mama sei eine Lovell gewesen. Wie Sie sehen, sind wir wohl verwandt.«
Er lächelt breit, was ich als Aufforderung verstehe, alles, was er sagt, mit Vorsicht zu genießen.
»Kann schon sein.« Ich lächle auch, befürchte aber, dass das »wahre schwarze Blut« nicht mehr weit sein kann.
»Der Vater des Mädchens hat Sie angeheuert, was?«
»Ich darf keine Angaben zu meinem Auftraggeber machen.«
Er zwinkert mir zu und nickt. Seine Gesten wirken ausladend wie bei einem Stummfilmdarsteller. »Ich wundere mich nur. Sie ist ja schon lange weg.«
»Ich kann leider nicht mehr dazu sagen. Ich spreche nur mit allen Leuten, die Rose kannten – also auch mit Ihnen. Und mit Ivo natürlich.«
Ich warte ab, was als Nächstes kommt.
»Das war alles sehr traurig. Dass sie weggegangen ist. Wir waren alle sehr traurig. Schrecklich.«
»Wissen Sie, wo sie jetzt ist?«
»Nein. Selbst wenn Sie behaupteten, dass sie in dieser Minute draußen vor der Tür steht, hätte ich ihr nichts zu sagen.«
»Verraten Sie mir, was passiert ist?«
»Natürlich. Ich weiß ja nicht, was ihr Vater Ihnen gesagt hat, aber das ist die Wahrheit – und wer wüsste das besser als ich? Sie ist mit einem gorjio weggelaufen und hat meinen Sohn und meinen lieben Enkel zurückgelassen, und wir haben sie danach nie wiedergesehen. Keine Spur von ihr.«
»Wann war das?«
»Vor sechs Jahren … ungefähr.«
»Es wäre sehr hilfreich, wenn Sie mir sagen würden, woran Sie sich erinnern.«
Tene schüttelt den Kopf mit der grauen Mähne und schaut aus dem Fenster. Er hat etwas Löwenhaftes, beinahe Majestätisches. Ein Maler würde sonst was für dieses Profil geben. »Eine sehr traurige Sache. Welche Mutter bringt es über sich, ihr Kind einfach zurückzulassen?«
»Genau das will ich herausfinden.«
Tene grinst mich an. »Wir hätten Sie vor sechs Jahren anheuern sollen!«
»Haben
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