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Was mit Rose geschah

Was mit Rose geschah

Titel: Was mit Rose geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stef Penney
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die Beine bricht, dass sie es nicht verraten hat. Womit sie recht hatte.«
    Großmutter macht den Mund zu, sie wirkt wütend und entschlossen. »Dieser gorjio hat deine Mutter ruiniert. Und mit dem willst du reden?«
    »Ich habe nicht gesagt, dass ich mit ihm reden will … Ich will es nur wissen. Es ist …«
    Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Als würde ich nur zur Hälfte existieren?
    Großmutter wendet sich wieder ihren Möhren zu. Für sie scheint die Sache erledigt.
    Ivo möchte ich noch nicht danach fragen – zuerst will ich die Versionen der anderen hören. Also versuche ich es bei Großonkel. Es überrascht mich nicht, dass er keine große Hilfe ist.
    »Du weißt ja, es heißt: ›Nur die klügsten Kinder kennen den eigenen Vater.‹«
    »Was?«
    Großonkel zwinkert mir zu. »Mein Junge, du kannst dich glücklich schätzen. Du bist der Sohn der Zigeuner, und alle kümmern sich um dich, das weißt du doch.«
    Manchmal bringt er mich echt auf die Palme. Jetzt zum Beispiel.
    »Du sagst immer, Familienangelegenheiten sind wichtiger als alles andere. ›Zuerst die Familie. Zuerst die Familie!‹ Aber ich kenne die eine Hälfte meiner Familie nicht. Eine Hälfte meiner DNA kommt woandersher – und ich habe keine Ahnung davon! Du weißt gar nicht, wie das ist! Es ist … furchtbar!«
    »Pass gut auf, was du dir wünschst, mein Junge; du könntest es bekommen. Und dann bereust du es vielleicht.« Er wirkt jetzt ernster. »JJ, du musst deine Mutter danach fragen. Wenn die Zeit gekommen ist, wird sie es dir sagen.«
    »Sie wird nicht wissen, wann die Zeit gekommen ist.«
    Er droht mir mit dem Finger. »Du musst deine Mutter respektieren. Deine Mutter weiß mehr, als du jemals wissen wirst.«
    »Kein Wunder, wenn mir niemand was erzählt.«
    Großonkel wirft den Kopf zurück und lacht los, aber das Lachen hat einen warnenden Unterton. »Ach ja, niemand erzählt dir was? Du gehst auf diese schicke Schule und bekommst eine gorjio -Ausbildung. Eines Tages wirst du alles wissen.«
    »Das meine ich nicht. Ich meine … Dinge über uns.«
    »Was für Dinge über uns? Was weißt du denn nicht?«
    Ich zucke mit den Schultern. »Viele Dinge. Zum Beispiel, was aus Rose geworden ist.«
    »Ach, es geht um Rose? Hast du wieder mit diesem Detektiv gesprochen?«
    »Nein. Und? Ich kann mich an sie erinnern. Sie war nett. Sie hat mit mir gespielt. Ich war traurig, als sie gegangen ist.«
    »Das waren wir alle. Und damit weißt du genauso viel wie ich.«
    »Aber du warst dabei! Du musst dich doch daran erinnern,mit wem sie weggegangen ist oder wieso … oder was unmittelbar davor passiert ist …«
    Großonkel runzelt die Stirn und zieht seine dichten Augenbrauen zusammen, so dass seine Augen wie unter einem Busch hervorlugen. »Manche Leute gehen einfach weg. Wie dein Vater. Vielleicht wollen sie nichts mehr mit den Menschen zu tun haben, die sie zurücklassen. Und vielleicht sind die ohne sie besser dran – schon mal daran gedacht?«
    »Ist Ivo ohne Rose besser dran? Und Christo?«
    Ich rechne schon damit, dass er wütend wird. Tut er aber nicht. Er sieht nur … traurig aus.
    »Ich weiß nicht, Junge. Sie war nicht … richtig im Kopf.«
    Ich starre Großonkel mit offenem Mund an. Noch nie habe ich jemanden das sagen hören.
    »Du meinst, nicht richtig … ist Christo deshalb …?«
    »Wir wissen es nicht. Vielleicht ist das eine der Sachen, die uns dieser Arzt sagen kann.«
    »Sie ist also nicht mit jemandem weggelaufen?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht doch. Bei Gott, wir wissen es wirklich nicht. JJ, wenn Leute dir etwas nicht erzählen, wollen sie es vielleicht gar nicht verbergen, sondern wissen es selber nicht. Nur Gott weiß alles. Hör mal zu …« Er beugt sich so weit wie möglich in seinem Rollstuhl vor und hält mir den Finger vor die Nase. »Belästige Ivo bloß nicht damit. Er hat schon genügend Sorgen. Ich will, dass du es mir versprichst. Versprich es!«
    »Ja. In Ordnung. Mach ich.«
    »Versprochen?«
    »Versprochen.«
    »Schwöre bei deiner Mutter … «
    »Ja!«
    Das war nicht sehr hilfreich. Und das ist nur die kurze Version. Man kann stundenlang mit Großonkel reden und trotzdem rein gar nichts erfahren. Ein erstaunliches Talent. Direkt ein Superheldentalent.

27
    Ray
    Ivo zu überreden war einfacher, als ich erwartet hatte. Als ich hinkam, unterhielt er sich gerade mit seiner Cousine Sandra. Die beiden sind wie Tag und Nacht: Ivo dunkel und mürrisch, Sandra blond, mollig und freundlich. Sie gefällt

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