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Was mit Rose geschah

Was mit Rose geschah

Titel: Was mit Rose geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stef Penney
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mir. Vermutlich haben wir es ihr zu verdanken, dass sie bereit sind, Christo untersuchen zu lassen. Ivo sagte, sie müssten noch darüber nachdenken, aber Sandra rief nur einen Tag später im Büro an und gab Bescheid, dass sie überglücklich wären, wenn mein Freund Christo anschauen würde. Genau dieses Wort benutzte sie: »überglücklich«.
    Einige Wochen später: Ich biete an, Ivo und Christo abzuholen und mit ihnen nach London zu fahren, aber Ivo besteht darauf, seinen eigenen Wagen zu nehmen. Ich befürchte, sie könnten zu spät – oder gar nicht – kommen, aber als ich in dem Café in der Nähe der Klinik eintreffe, in dem wir uns verabredet haben, entdecke ich Ivo und Christo, die sich in einer Ecke niedergelassen haben. Im Aschenbecher liegen mehrere Stummel. Christo lächelt mich an, als ich hereinkomme. Ich lächle zurück.
    Ivo ist sichtlich nervös und zieht heftig an der nächsten Zigarette. Seine Augen huschen hin und her, er sieht mich an und sofort wieder weg.
    »Was wird dieser Doktor machen?«
    »Ich nehme an, er wird erst mal nur Fragen stellen. Vielleicht einige Blutuntersuchungen machen. Es ist nur eine Vorbesprechung,womöglich überweist er Christo an einen Kollegen, der sich besser auskennt.«
    »Einen Kollegen? Wen denn?«
    »Das weiß ich nicht. Ein Spezialisten. Kommt drauf an, was er herausfindet.«
    Ivo nickt entschlossen, scheint aber nur mit Mühe seine Nervosität zu unterdrücken. Christo lehnt sich an ihn und wirkt weder nervös noch unglücklich – er lässt sich auch nur schwer durchschauen.
    »Gavin ist ein guter Mann. Sehr ehrlich. Er will Ihnen wirklich helfen. Und er ist eine Kapazität für Kinderheilkunde; wir haben wirklich Glück.«
    Ivo schaut auf die Zigarette, die er zwischen seinen schmalen Fingern plattgedrückt hat. Sie zittern leicht. Sein Mund bewegt sich, als wollte er etwas sagen, doch das tut er nicht.
    »Kein Grund zur Sorge. Es ist nur ein Gespräch.«
    »Was will er denn so wissen?«
    »Na ja, vermutlich etwas über die Krankheit. Er muss sich ein Bild von dem machen, was in der Familie passiert ist.«
    Wie üblich sieht er mir nicht in die Augen. »Und … es wird uns nichts kosten?«
    »Nein, gar nichts. Keine Sorge.«
    Mein Lächeln soll beruhigend wirken, doch Ivo schaut mich gar nicht an.
    Ivo trägt Christo hinein. Nachdem sich die schweren Glastüren mit einem saugenden Geräusch hinter uns geschlossen haben, ist der Lärm von draußen wie mit einem Skalpell abgeschnitten. Ein dicker Teppich dämpft die Schritte. Er dämpft sogar die Stimmen. Eine Stille, wie man sie in London nur mit Geld erkaufen kann. Ich gehe zur Empfangsdame – einer perfekt geschminkten Frau mittleren Alters, deren Haare wie ein schimmernder Helm aussehen – und erkläre, wer wir sind. Ivo bleibt mitten auf dem Teppich stehen, er wirkt verlegen und fehl am Platz.
    Ich wünschte, er hätte sich ein bisschen mehr Mühe mit seinem Äußeren gegeben – aber nein, er hat die schmierige Mütze ins Gesicht gezogen und trägt wieder die zugeknöpfte Weste und das braune Halstuch … ich habe ihn noch nie anders gesehen. Während wir in einem Raum mit cremeweißen Sesseln und beigefarbenem Teppich warten – ich schaue sogar nach, ob ich keine Fußabdrücke hinterlassen habe –, versuche ich, Ivo in ein Gespräch zu verwickeln. Doch er ist entweder zu nervös oder nicht in der Lage, Smalltalk zu machen. Er antwortet mit einem Brummen oder murmelt einsilbige Antworten, fährt Christo mit seinen gelblichen Fingern durch die Haare. Er riecht nach Zigaretten und Angst. Seine Nägel sind abgekaut und schwarz gerändert. Trotz allem habe ich Mitgefühl mit diesem schwierigen jungen Mann. Er hat es in seinem kurzen Leben nicht leicht gehabt. Mir kommt etwas in den Sinn, das mein Vater immer gesagt hat: dass Zigeuner sich oft ungerecht behandelt fühlen, es den Leuten aber weiß Gott auch irgendwie schwer machen, Mitgefühl aufzubringen.
    Die Empfangsdame teilt uns mit, dass Gavin jetzt Zeit habe. Ich biete an, mit hineinzugehen.
    »Nein. Schon gut … danke.«
    Ich lese im National Geographic einen Artikel über einen gescheiterten Versuch, den Annapurna zu besteigen. Die Stille im Wartezimmer ist so undurchdringlich, dass ich mich frage, ob die Welt da draußen bei einem Atomschlag ausgelöscht wurde. Eine Uhr tickt. Nach einer halben Stunde steckt die Empfangsdame den Kopf zur Tür herein. Sie wirkt verärgert.
    »Ist Ihr Freund hier?«
    »Nein. Wieso?«
    Sie lächelt gezwungen.

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