Was nicht passt, wird kuessend gemacht
die Traurigkeit abzuschütteln. Wenigstens war ihr das Gefühl drohenden Unheils genommen worden. Sie glaubte nicht mehr, dass sie aus der Stadt verscheucht werden würde. Bürgermeisterin Marshas Freundlichkeit hatte geholfen, ihr diese Angst zu nehmen. Ihre Freunde waren ihr weiter treu und unterstützten sie. Über Will hinwegzukommen würde noch eine Weile dauern, aber irgendwann würde es ihr bestimmt gelingen.
Sie schloss die Bar ab und ging durch die stillen Straßen nach Hause. Die Nächte waren schon recht kühl, die Tage kürzer. Der Herbst war da. Auf den Bergspitzen lag bereits Schnee. Fool‘s Gold war zu jeder Jahreszeit wunderschön, aber im Winter gefiel es ihr am besten.
Ein Streifenwagen fuhr vorbei. Die Polizistin am Steuer winkte Jo zu, und sie winkte zurück. Blinkende Lichter erhellten die Auslagen von Morgan‘s Books. Die Flaggen, die von den Straßenlaternen hingen, zierten Truthähne und Füllhörner. Sie hatte schon drei verschiedene Einladungen zu Thanksgiving erhalten.
Ich bin zu Hause, dachte sie und redete sich ein, dass zufrieden zu sein ausreichte.
Langsam bog sie in ihre Straße ein und ging zu ihrem Haus. Als sie den Weg hinaufging, bewegte sich etwas auf ihrer Veranda. Aus den Schatten trat ein Mann heraus.
Will.
Das harte Licht der Außenbeleuchtung war wenig schmeichelhaft. Er sah so aus, wie sie sich fühlte. Müde, ausgezehrt, traurig. Oder vielleicht bildete sie sich das nur ein, um sich besser zu fühlen. Vielleicht war er gar nicht verletzt. Vielleicht wollte er die Stadt verlassen und war nur hier, um ihr noch ein letztes Mal zu sagen, dass sie für ihn nicht gut genug war.
Sie straffte die Schultern und stieg die Treppe hinauf. Er hatte ihr vielleicht das Herz gebrochen, aber ihre Persönlichkeit würde er nicht brechen. Direkt vor ihm blieb sie stehen.
„Ich muss mit dir reden“, sagte er.
„Was gibt es da noch zu sagen?“, fragte sie kalt.
„Du hast mir von deiner Vergangenheit erzählt“, ließ er sich nicht entmutigen. „Ich möchte, dass du auch von meiner erfährst.“
Sie glaubte an Fairness, deshalb nickte sie kurz und schloss die Tür auf.
Drinnen bedeutete sie ihm, sich auf das Sofa zu setzen. Sie blieb auf Distanz und zog sich in die Sicherheit des Klubsessels am Kamin zurück.
„Leg los.“
Will zog seine Jacke aus. Er trug ein Chambray-Hemd und abgetragene Jeans. Seine Haare müssten dringend geschnitten werden, und er hatte sich an diesem Tag nicht rasiert. Er sieht verwahrlost aus, dachte sie und versuchte, Verachtung für ihn zu empfinden. Doch das gelang ihr nicht. Denn er sah trotzdem gut aus, und sie war erfreut, ihn zu sehen.
Vielleicht wird er dir sagen, dass er sich geirrt hat, flüsterte ihr Herz. Vielleicht tat es ihm leid. Sie ermahnte sich, keine allzu großen Hoffnungen zu hegen, aber es war schwer, sich nicht zu wünschen, dass ihm wieder etwas an ihr liegen möge.
Er beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf den Oberschenkeln ab. Seine Hände hingen locker herunter. Anstatt Jo anzuschauen, hielt er den Blick auf den Boden gerichtet.
„Mein Dad war einer dieser Männer, die jeden um den Finger wickeln konnten“, begann er leise. „Die Frauen liebten ihn. Vor allem meine Mom. Sie hätte alles für ihn getan. Gott, sie hat ihn so geliebt. Ich liebte ihn auch, aber ich fand ziemlich schnell heraus, dass er nicht wie die anderen Väter war. Er hatte keinen festen Job. Stattdessen war er immer auf der Suche nach der nächsten Möglichkeit, schnelles Geld zu verdienen.“
Er machte eine Pause und schaute Jo an. „Schnelles Geld. So nannte er es. Er war zu gut, um für jemand anderen zu arbeiten. Er sagte immer, Männer wie er wären zu etwas Besserem als einem Job in der Fabrik bestimmt. Wenn er sich nur halb so sehr angestrengt hätte, eine Arbeit zu finden, die ihm ein regelmäßiges Einkommen garantiert hätte, wie dafür, die nächste Gaunerei auszuhecken, wäre unser Leben ein ganzes Stück besser gewesen.“ Er räusperte sich. „Er war ein Betrüger. Mein Vater hat ehrliche Menschen um ihr Geld gebracht. Er war öfter im Gefängnis als draußen, aber er hat es nie gelernt, hat sich nie verändert. Sobald er draußen war, hatte er bereits den nächsten Coup im Kopf.“
Jo verschränkte die Arme vor der Brust. „Das muss sehr schwer für dich gewesen sein.“
„Das war es. Ich wollte wegziehen, ihn nie wiedersehen, aber meine Mom hat nicht auf mich gehört. Sie liebte ihn und war überzeugt davon, dass er
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