Was Paare stark macht
Grenzen und Übergänge der sexuellen Exklusivität gemeinsam ab.
Warum die Aktie «Commitment» im Sinkflug ist
Die Bereitschaft zur gegenseitigen Verpflichtung in der Partnerschaft ist in der westlichen Gesellschaft zunehmend schwächer ausgeprägt. Es kommt heute schneller zur Trennung oder Scheidung, und die Zahl der Paare, die während Jahrzehnten zusammenbleiben, sinkt weiter. Neuerdings findet sich auch eine stärkere Scheidungsbereitschaft bei älteren Paaren, wobei Paare zwischen 40 und 50 Jahren zu einer wichtigen Risikogruppe gehören. Gründe für die Abnahme des Commitments lassen sich bezüglich aller drei Komponenten finden, also sowohl bei der rationalen und der affektiven wie auch bei der Triebkomponente.
Trennungen werden immer salonfähiger
Die vernunftgeleitete Komponente des Commitments war lange Zeit die stärkste. Wie eine Versicherung stand die Raison über allfälligen Zweifeln, auch über solchen, die aus den anderen zwei Komponenten hervortraten. Ganz in diesem Sinne: Gefühle und Triebe können eine Entscheidung zwar vorübergehend trüben, aber als letzte Instanz ist immer noch die rationale Überzeugung da. Doch diese Selbstverständlichkeit, dass eine Beziehung beziehungsweise Ehe auf Lebzeiten geschlossen wird, schwindet. Das Konzept des «Lebenspartners» wird immer mehr von dem des «Lebensabschnittspartners» abgelöst.
Eine Trennung oder Scheidung ist im Wertekatalog der modernen Gesellschaft kein Problem mehr. Fast jeder kennt heute im persönlichen Umfeld Menschen, die nach einer Trennung ein weiteres Glück gefunden haben. Der Einfluss der Kirche schwindet, und mit ihm auch ein Rückhalt für das Commitment. Dagegen haben die Konzepte der Selbstverwirklichung und Emanzipation seit den 1968er-Jahren an Einfluss gewonnen – deren Erfüllung suchen viele Menschen vor allem in der Partnerschaft.
Nur gerade 10 Prozent der Paare gehen vor einer Scheidung in eine Paartherapie oder Beratung. Und das, obwohl solche Angebote besser zugänglich sind denn je. Das kann sehr wohl als Signal dafür gedeutet werden, dass heute weniger intensiv geprüft wird, was man mit einer Beziehung alles aufgibt, und dass man schneller bereit ist, eine Partnerschaft zu beenden, wenn sich die Ansprüche an sie nicht erfüllen.
Ein besonderes Zeitphänomen sind Trennungen oder Scheidungen von Partnerschaften, in denen die Partner an und für sich zufrieden sind und keine nennenswerten Probleme bestehen (Schätzungen gehen von 26 Prozent der Fälle aus). Der Grund dafür liegt häufig im Wunsch nach etwas noch Besserem oder im unstillbaren Bedürfnis nach ständiger Stimulation und lebenslangem Kick.
Beat und Simone…
…sind seit 26 Jahren zusammen und seit 23 Jahren verheiratet. Für beide war es damals die erste richtige Beziehung. Sie haben es auch heute noch gut miteinander, doch verbringen sie die Freizeit kaum mehr zusammen. Beide sind berufstätig und erfolgreich, sie im Kulturbereich, er im Management einer Versicherung. Die Zeit für die Pflege der Partnerschaft ist rar. Beats Sitzungen dauern häufig bis weit in den Abend hinein, zudem ist er im Gemeinderat tätig.
Simone ihrerseits besucht abends regelmässig Vernissagen und Kulturanlässe. Beat begleitet sieungern zu diesen Events; er brauche seine Ruhe und habe tagsüber bereits genug Leute gesehen. Beide nehmen Arbeit mit nach Hause, ziehen sich nach Feierabend in ihre Zimmer zurück und arbeiten bis spät in die Nacht. Obgleich kaum Konflikte auftauchen und Beat und Simone wenig miteinander streiten, finden beide, dass in dieser Beziehung die Luft raus ist. Da lernt Simone an einer Vernissage einen zuvorkommenden, attraktiven Mann kennen. Sie verliebt sich in ihn, und obwohl ihre Beziehung zu Beat eigentlich ganz zufriedenstellend ist, entschliesst sie sich zur Scheidung.
Commitment heisst nicht, eine Beziehung um jeden Preis zu verlängern und aufrechtzuerhalten. Commitment heisst, nicht bei den ersten Widrigkeiten aufzugeben, und Commitment heisst vor allem, von Anfang an mit Engagement und Verbindlichkeit für die Beziehung einzustehen und damit gute Voraussetzungen für eine gesunde Entwicklung und Tiefe zu schaffen. Commitment beginnt also nicht erst bei Schwierigkeiten, sondern vom ersten Tag an, an dem man Ja zu einem Menschen als Partner sagt.
Gemeinsam einsam
Nicht nur die rationale Komponente des Commitments begünstigt die Entwicklung einer engen, tragfähigen Partnerschaft. Auch die affektive, also gefühlsmässige
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