Was Pflanzen wissen
auf Bengali »Schamhafte Jungfrau«.
Das für die Mimose typische Zuklappen und Sich-Öffnen gleicht stark der Bewegung der Venusfliegenfalle, sogar auf elektrophysiologischer Ebene. Das bemerkte Sir Jagadish Chandra Bose, ein bekannter Physiker aus Kalkutta, der dann Pflanzenphysiologe wurde. 38 Während Bose Forschungsarbeiten am Davy Faraday Research Laboratory of the Royal Institution of Great Britain durchführte, berichtete er 1901 der Royal Society in einem Vortrag, dass Berührung ein elektrisches Aktionspotenzial initiiere, das sich über die gesamte Länge des Blattes fortpflanze und zu einem schnellen Zuklappen der Mimosenblättchen führe. (Unglücklicherweise stand Burdon-Sanderson Boses Arbeit außerordentlich kritisch gegenüber und empfahl, Boses Aufsatz über die Mimosa pudica aus den Proceedings of the Royal Society of London – in denen die jeweils vorgestellten und vorgetragenen Forschungsarbeiten veröffentlicht wurden – auszuschließen. Aber spätere Untersuchungen in vielen Laboren haben seither gezeigt, dass Bose damals Recht hatte.) 39
(13) Schamhafte Sinnpflanze oder Mimose (Mimosa pudica) .
Studien haben gezeigt, dass die Einwirkung eines elektrischen Signals auf eine Gruppe von Zellen namens Pulvini – das sind die Motorzellen, die die Blätter bewegen – zum Schließen und Senken der Mimosenblättchen führt. Um zu verstehen, wie ein Pulvinus die Blätter auch ohne einen Muskel bewegt, müssen wir ein wenig elementare Zellbiologie verstehen. Eine Pflanzenzelle enthält zwei Hauptteile: Protoplast und Zellwand. Ein Protoplast gleicht, ähnlich wie tierische Zellen, einem Wasserballon: Eine dünne Membran umgibt einen flüssig gefüllten Innenraum. Dieser Innenraum enthält mehrere mikroskopisch kleine Bestandteile, darunter den Zellkern, Mitochondrien, Proteine und DNA. Einzigartig an Pflanzenzellen ist, dass der Protoplast in einem zweiten Zellteil eingeschlossen ist, einer festen Hülle namens Zellwand. In Ermangelung eines tragenden Skeletts gibt diese Zellwand Pflanzen ihre Stärke. Bei Holz,Baumwolle und Nussschalen zum Beispiel sind die Zellwände dick und fest, während sie bei Blättern und Blütenblättern dünn und biegsam sind. (Wir sind von diesen Zellwänden in hohem Maße abhängig, da sie für die Herstellung von Papier, Möbeln, Kleidung, Seilen und sogar Treibstoff unverzichtbar sind.)
Normalerweise enthält ein Protoplast so viel Wasser, dass er kräftig gegen die ihn umgebende Zellwand drückt, was den Pflanzenzellen ermöglicht, straff und aufrecht dazustehen und Gewicht zu tragen. Aber wenn einer Pflanze Wasser fehlt, dann ist der Druck auf die Zellwände gering, und die Pflanze welkt. Normalerweise kann eine Zelle kontrollieren, wie viel Druck auf der Zellwand liegt, indem sie Wasser in die Zelle hinein- oder aus ihr herauspumpt. Die Pulvini sind an der Basis eines jeden Mimosenblättchens zu finden und fungieren wie winzige Hydraulikpumpen, die die Blätter bewegen. Sind die Pulvini mit Wasser gefüllt, drücken sie die Blättchen auf, und wenn sie Wasser verlieren, sinkt der Druck, und die Blättchen falten sich zusammen.
Wo kommen nun die elektrischen Aktionspotenziale ins Spiel? Sie sind das kritische Signal, das der Zelle sagt, ob sie Wasser in die Zelle hinein- oder aus ihr herauspumpen soll. Unter normalen Bedingungen sind die Mimosenblätter offen und die Pulvini mit Kaliumionen gefüllt. Die hohe Konzentration von Kalium im Zellinneren im Verhältnis zum Äußeren bewirkt, dass Wasser vergeblich versucht, in die Zelle einzudringen, um das Kalium zu verdünnen. Das führt zu einem hohen Druck auf die Zellwand – und zu geöffneten Blättern. Erreicht aber ein elektrisches Signal einen Pulvinus, öffnen sich die Kaliumkanäle in der Zellwand, und mit dem Kalium verlässt auch Wasser die Zelle. Dadurch erschlafft sie. Wenn das Signal abgeklungen ist, pumpen die Pulvini wieder Kalium in die Zellen hinein, was bewirkt, dass Wasser hineinfließt und das Blatt sich wieder öffnet. Calcium, das für die neuronale Kommunikation im Menschen entscheidende Ion, reguliert auch hier die Öffnung der Kaliumkanäle. Und wie wir sehen werden, ist es maßgebend für die Reaktion einer Pflanze auf Berührung.
Berührung – ein negativer Einfluss
Anfang der 1960er-Jahre untersuchte Frank Salisbury die chemischen Stoffe, die die Gewöhnliche Spitzklette (Xanthium strumarium) zum Blühen bringen. Die Pflanze ist in ganz Nordamerika zu finden und für ihre kleinen,
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