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Was Pflanzen wissen

Was Pflanzen wissen

Titel: Was Pflanzen wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Chamovitz
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Tieren. DiesePflanzen bedienen sich wie alle grünen Pflanzen der Photosynthese, aber im Nebenjob sind sie auch noch Fleischfresser, wodurch sie ihre Nahrung mit tierischem Eiweiß ergänzen.
    (12) Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula) .
    Die Fangblätter der Venusfliegenfalle sind unverwechselbar: Sie enden in zwei Blatthälften, die durch eine Mittelrippe verbunden sind, und die Ränder der beiden Lappen sind mit langen Borsten besetzt, die man »Zilien« nennt und die den Zinken eines Kammes ähneln. Diese beiden Blatthälften, die auf einer Seite durch ein Gelenk zusammenhängen, stehen normalerweise ein Stück weit auseinander, sodass sie eine V-Form bilden. Die Innenseiten des Blattes sind in Rosa- und Purpurtönen gehalten und sondern Nektar ab, der für viele Lebewesen unwiderstehlich ist. Wenn eine arglose Fliege, ein neugieriger Käfer oder sogar ein kleiner Frosch auf Wanderschaft über die Oberfläche der Blätter kriecht, klappen die beiden Hälften mit überraschender Kraft zusammen, klemmen die ahnungslose Beute ein und verhindern ihre Flucht durch die »Gitterstangen« der ineinander verschränkten Zilien. *9 Die Falle schließt sich mit unglaublicher Schnelligkeit: Im Gegensatz zu unserem Tempo bei vergeblichen Versuchen, eine lästige Fliege zu erschlagen, klappt die Venusfliegenfalle in weniger als einer Zehntelsekunde zu. Ist die Falle erst einmal aktiviert, sondert sie Verdauungssäfte ab, die das Beutetier auflösen und absorbieren.
    Die erstaunlichen Eigenschaften der Venusfliegenfalle bewogen Charles Darwin, der als einer der ersten Wissenschaftler eine gründliche Untersuchung über sie und andere Fleisch fressende Pflanzen veröffentlichte, die Venusfliegenfalle als »eine der wunderbarsten [Pflanzen] in der Welt« zu bezeichnen. 32 Darwins Interesse an Fleisch fressenden Pflanzen veranschaulicht, wie naive Neugier einen geschulten Wissenschaftler zu bahnbrechenden Entdeckungen führen kann. Darwin beginnt seine 1875 geschriebene Abhandlung Insectenfressende Pflanzen so: »Ich war während des Sommers 1860 erstaunt zu finden, was für eine grosze Anzahl Insecten von den Blättern des gewöhnlichen Sonnenthaus (Drosera rotundifolia) auf einer Haide in Sussex gefangen wurden. Ich hatte wohl gehört, dasz Insecten so gefangen würden, wuszte aber nichts weiteres über diesen Gegenstand.« 33 Zuerst wusste Darwin also fast nichts über Fleisch fressende Pflanzen und wurde doch bald der führende Experte des 19. Jahrhunderts auf diesem Gebiet, auch bezüglich der Venusfliegenfalle; noch heute wird auf sein Werk Bezug genommen.
    Wir wissen inzwischen, dass die Venusfliegenfalle ihre Beute spürt und fühlt, ob der Organismus, der in ihrer Falle herumkriecht, die für den Verzehr passende Größe hat. Auf der rosaroten Oberfläche der Innenseiten beider Blatthälften gibt es mehrere lange schwarze sogenannte Fühlborsten. Sie fungieren als Auslöser, der die Falle zum Zuschnappen bringt. Aber die Berührung einer einzigen Borste genügt nicht, um die Falle auszulösen; Untersuchungen haben ergeben, dass mindestens zwei davon innerhalb von etwa 20 Sekunden berührt werden müssen. Das sorgt dafür, dass die Beute die ideale Größe hat und sich nicht durch Zappeln aus der Falle befreien kann, wenn die erst einmal zugeschnappt ist. Die Fühlborsten (die Darwin »Filamente«nennt) sind extrem empfindlich, aber sie arbeiten auch äußerst selektiv. Darwin notierte in seinem Buch Insectenfressende Pflanzen :
    »Wassertropfen oder ein dünner, unterbrochener, aus einer gewissen Höhe auf die Filamente herabfallender Strom verursachte keinen Schlusz der Blattscheiben … Ohne Zweifel ist, wie es auch bei der Drosera der Fall ist, die Pflanze gegen den schwersten Regenschauer ganz indifferent … Ferner blies ich viele male durch eine feine zugespitzte Röhre mit äuszerster Kraft gegen die Filamente, aber ohne irgend welche Wirkung; ein derartiges Blasen wurde mit so viel Gleichgültigkeit aufgenommen, wie es ohne Zweifel ein heftiger Sturmwind wurde. Wir sehen hieraus, dass die Empfindlichkeit der Filamente von einer specialisirten Beschaffenheit ist.« 34
    Obwohl Darwin den Ablauf von Ereignissen, die zum Schließen der Falle führen, und die Ernährungsvorteile, die das tierische Eiweiß für die Pflanzen hat, detailliert beschrieb, konnte er nicht den Mechanismus des Signals herausfinden, das zwischen Regen und einer Fliege unterschied und das blitzschnelle Fangen der Letzteren ermöglichte. Darwin

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