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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung
Autoren: Anke Richter
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das gemalt?«
    »Äh, Haki. Haki Waiomio.«
    Sie dreht sich schnell weg. In den Winkeln ihres Herzens ist wohl heute keine Besichtigung, trotz Süßigkeitenvergabe. So weit zur viel gepriesenen Offenheit.
    »Ach, echt? Hat er’s dir geschickt?«
    Hoffentlich lässt sie sich den Spruch nicht auch tätowieren.
    »Nein, mitgebracht. Haki war gestern hier.«
    Sie wird eindeutig dunkelrosa unter ihren Sommersprossen.
    »Wie, nur so?«
    »Er ist gerade in Christchurch. Weihnachtsfeier von CellTel oder so.«
    »Mensch, das sagst du mir erst jetzt?« Mir kommt eine Idee. »Gib mir doch mal seine Nummer.«
    Eva schaut mich überrascht an.
    »Ich brauche nur kurz seine Hilfe«, sage ich. »Mein letzter Versuch.«
    Das japanische Restaurant liegt am Ende der Gloucester Street. Außer einem Münzhändler sind hier nur asiatische Läden angesiedelt, hauptsächlich Friseure. Lukas, der sich weigert, mehr als zwanzig Dollar für einen Schnitt auszugeben, saß dort mal in einem Salon und hatte fünf giggelnde Haarstylistinnen aus Korea um sich herum. Die Damen hatten noch nie blonde Haare wie seine bearbeitet. Nicht schwarz, nicht üppig, aber dafür »wie Tom Cluise«, wie eine kichernd verkündete. Wie Blad Pitt hätte ihm sicher besser gefallen.
    ›Jingle Bells‹ schlägt mir in einer Rockversion aus dem Restaurant entgegen. Die Luft drinnen ist noch wärmer als draußen und riecht nach Bier und scharfem Essen. Überall hängen rote und grüne Girlanden. Auf einer Bühne wird gerade getanzt. Zwei Frauen tragen Paillettenbikinis und batteriebetriebene, blinkende Tannenbaumohrringe. Die neuseeländische Adventszeit ist eine einzige Glitzerparty. Kiwi-Kinder öffnen nicht 24 Türchen und warten auf den Nikolaus, sondern gehen zur Santa Parade. Da rollen bunt geschmückte Wagen ähnlich wie beim Rosenmontagszug durch die Hauptstraßen, werfen allerhand Süßes unters Volk und sorgen für fröhliche Kitschstimmung. Wenn nicht gerade, wie im Jahre 1991 im Northland-Kaff Kaikohe geschehen, der Weihnachtsmann bei der Parade angegriffen wird. Ich weiß nicht, ob Väterchen Frost damals nur eine Badehose trug, denn auch das kann durchaus vorkommen – auf jeden Fall brachte es Kaikohe einmal und nie wieder in die Weltpresse. Kaikohes sympathische Bewohner halten außerdem jedes Jahr das Demolition Derby ab, ein Karambolagerennen mit Schrottautos. Da hat auch Haki Waiomio früher immer gerne mal mitgemacht. Jetzt trägt er einen doppelreihigen Anzug, der etwas über dem Puku spannt. Seine Lockenpracht ist deutlich gekürzt. Eine Krawattennadel mit dem CellTel-Logo steckt an seinem Schlips.
    »Kia ora!« Er beugt sich vor, greift mir mit einer Hand an die Schultern und drückt mir einen Nasenkuss auf. Dann greift er in die Jacketttasche und zieht ein Rentiergeweih aus Filz hervor. Den Reifen steckt er mir in die Haare.
    »Happy Christmas!« Sein Lachen lässt die Krawattennadel überm Bauch wippen. »Ich hab nur eine halbe Stunde Zeit, dann werden die Jahresprämien vom CellTel-Geschäftsführer vergeben.«
    »Dann lass uns einfach in die Bar gegenüber gehen.« Bloß raus aus dieser Weihnachtsmanndisco.
    Die Bar Benito ist die kleinste Spelunke von Christchurch. Mehr als zwölf Leute passen dort nicht auf einen Schlag hinein, und zehn sind bereits drinnen. Der italienische Name täuscht. Besitzer Benito ist ein 61-jähriger Japaner. Das weiß ich, weil sein Lebenslauf an der Wand hängt. Einige der Höhepunkte darin: Berufstaucher für Unterwasserexplosionen, Flamencostudium im Alter von 59 Jahren und eine Pilgerung über den Camino de Santiago. An der Wand hängen Fotos von Benitos Reisen, ein japanischer Druck, eine Seite aus einem Windsurfing-Kalender aus dem Jahre 1982, eine überdimensionale Eindollarnote mit Marlon Brando als US -Präsident, die Albumhülle von Liszts Klavierkonzerten und ein Bob-Marley-Poster.
    Der japanische Barkeeper hat die Greatest Hits von Queen aufgelegt. Er reicht uns die Getränkekarte. Die Cocktails kosten nur sieben Dollar und haben ihre zwei Hauptbestandteile jeweils im Namen: Malibu Coke, Kahlua Milk, Wodka Bull. Haki wirft einen Blick darauf und bestellt uns beiden ein Bier.
    Ich komme gleich zur Sache und lege einen Seelenstriptease hin, der Eva alle Ehre machen würde. Erzähle Haki von den vergangenen Wochen und Monaten. Von meinen Qualen unter deutschen Touristen und meinem Streit mit Judy. Der Kiwi-Koller schlechthin. Es muss alles raus.
    »Ich tue mich schwer damit, wie deutsch ich bin«, sage
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