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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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Heckenschnitt.

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    Karamba, Karacho, ein Whiskey
    WIEDER UNTER DEUTSCHE gehen, hatte Haki mir geraten. Dorthin, wo es richtig weh tut. Eigentlich hatten mir die drei Stunden Fahrt im Reisebus zurück nach Queenstown schon gereicht. Aber die zählen für meinen Mentor nicht, solange ich mich von meinen Landsleuten abgrenze. Und der neueste Anschlag von Ditze kann es auch nicht sein. Für sein Buch-Konzept ›Ich bin so frei‹ gibt es bereits Höchstgebote von vier »Top-Verlagen«, sein Sender will aus dem Stoff als »Super Cross-Promotion« parallel eine »irre Doku-Soap« machen, und als Sponsor habe man eine Firma für Bräunungsduschen an der Hand. ›Wir rechnen fest mit Dir als Realisatorin vor Ort‹, schreibt er. ›Frag doch mal bei WIEDER UNTER DEUTSCHE -Vereinen nach, auch in Australien, ob da Deutsche rumturnen. Vielleicht lassen wir sie nackt Bungee springen?‹
    Ich habe eine Idee, aber die muss ich erst mit Eva besprechen. Denn das Deutschtum pflegen kostet Kraft durch Freunde. Das schaffe ich nicht alleine. Unser prägendes Kindheitserlebnis war der Karneval. Das sind meine Wurzeln. Nicht Trachtenjacke, nicht Holzhacker Buam – sondern Kamelle und Strüßjer.
    Manchmal gibt es keine Zufälle. Das Schicksal schickt mir ein Zeichen per Post. Das Vereinsbulletin des ersten deutschen Karnevalsvereins von Neuseeland flattert uns ins Haus. Eine Prunksitzung in Christchurch ist in Planung. ›Es sind die deutsche Sprache und der rheinisch-kölsche Dialekt vorgeschrieben‹, heißt es in der Infoschrift. ›In puncto kulinarische Genüsse‹ gäbe es einen ›fortwährend erhältlichen Imbiss‹. Die Nachfrage unter Kiwis sei ›gewaltig‹ für diese ›spezifische Darbietung wahrer Lebensfreude und Ausgelassenheit‹. Gewaltig ist auch diese spezifische Darbietung an bierernstem Amtsstubendeutsch, aber das darf mich nicht abschrecken. Karneval in Christchurch – das könnte die Therapie sein, die ich brauche. Eigentlich wollte ich den deutschen Stammtisch unterwandern. Jetzt winkt die Chance, sich gezielt ins Herz des heimatlichen Brauchtums einzuschleusen. Eine Radikalkur fürs Nationalgefühl, quasi als Desensibilisierung, so wie bei Allergikern mit Heuschnupfen. Die laufen hinterm Mähdrescher her, um durch die Überstimulation geheilt zu werden. Der letzte Ausweg. Think big, think Funkemariechen.
    Ich recherchiere. ›Bitte vereinbaren Sie einen Termin mit dem Sitzungspräsidenten, Herrn Jochen Maibach. Mit freundlichem Gruß, Festkomitee Rheinischer Karneval‹, schreibt man mir auf meine Anfrage zackig zurück. Die zitierte Lebensfreude und Ausgelassenheit schlagen mir auch am Telefon nicht entgegen, aber dafür der vorgeschriebene rheinisch-kölsche Dialekt. Herr Maibach klingt etwas unwirsch. Die geplante Prunksitzung ist abgeblasen worden. Mein Herz sinkt.
    »Isch hab den Verein nach Parajraf 47 BeJeBe wieder aufjelöst«, sagt Maibach trocken. Er ist nicht nur Karnevalsprofi von Amt und Würden, sondern »internationaler Reschtsanwalt«, daher kennt er sein BGB . Früher war er bei einer Versicherung in Köln. Nichts als Ärger habe er jetzt am Hals.
    »Isch musste den janzen Vorstand, wenn man das mal so salopp sajen darf, hochkant rausschmeißen. Sieben Leute. Damit konnt isch nisch arbeiden.«
    »Was war da los, Herr Maibach?«
    Hatte der Verein nicht ein Männerballett in Arbeit, das ›den Saal zum Kochen‹ bringen sollte? Und einen ›hochdekorierteren Karnevalisten und ehemaliges Mitglied des Traditionskorps Blauer Funken‹, der oder das ›als sogenannter Literat‹ die Stimmung ›maßgeblich beeinflussen‹ sollte? So stand es im Vereinsbulletin, Wort für Wort. Der Anwalt seufzt. Es habe Streit unter den Christchurcher Karnevalisten gegeben.
    »Isch hab zu minger Frau jesacht, da muss man halt mal über Leischen jehen.«
    Die Überlebenden würden jedoch für die anstehende Karnevalssession einen »Meja-Event« auf die Beine stellen. Mit Musik »aus-schließ-lisch aus dem Kölner Notenbuch ›Alaaf‹«, diktiert Maibach mir durchs Telefon.
    Das könnte es sein. Jetzt muss ich nur noch Eva überzeugen. Bei ihrem letzten Kölner Rosenmontagszug flog ihr eine Flasche Kleiner Feigling ins Gesicht. Die Platzwunde wurde von einer als Krankenschwester verkleideten Tunte behandelt, die im Barbie-Arztköfferchen nur Tempos und Kondome hatte. Die Narbe ist noch immer zu sehen. Evas Schnapsfläschchentrauma und mein Herkunftsdilemma können nur besiegt werden,

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