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Was wir Liebe nennen

Was wir Liebe nennen

Titel: Was wir Liebe nennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Lendle
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schlechteste Möglichkeit, um müde zu werden. Lambert machte dem Barkeeper ein Zeichen. Der hob kurz das Kinn und begann ein Glas zu zapfen. Lambert griff sich einen der Hocker und setzte sich ans Ende der Reihe.
    Im Fernseher lief ein S piel. Lambert gelang es, zwei Mannschaften auszumachen, die einander gegenüberstanden. Auf einen Pfiff hin rannten alle durcheinander, bis ein nächster Pfiff sie unterbrach, woraufhin sich die S pieler wild gestikulierend in kleinen Gruppen zusammenfanden, während lange Reihen von Statistiken über den Bildschirm liefen. Lambert hatte keine Ahnung, worum es ging. Es schien nicht mal einen Ball oder ein anderes S pielgerät zu geben. Er konnte sich nicht erinnern, jemals so farbenfrohe Trikots gesehen zu haben, an einigen waren goldene Bänder und Aufnäher befestigt. Ohne das S pielfeld und die Pfiffe hätte man glauben können, es handelte sich um ein Kostümfest. Lambert versuchte herauszufinden, ob seine Nachbarn mit einer der beteiligten Mannschaften sympathisierten, aber sie verfolgten das Ganze mit der Reglosigkeit einer Jury, die am Ende ihr unbestechliches Urteil über das Geschehen würde fällen müssen.
    Vorsichtig probierte Lambert von seinem Getränk. Es schmeckte, als hätte man die Hölle eingekocht und den Sud dann ziemlich lange stehen lassen. Zu lange, für seinen Geschmack. Lambert schloss die Augen und nahm einen weiteren Schluck. Wo immer er gelandet war, er war bereit, es den Bewohnern dieses Ortes gleichzutun.
    Die Männer im Fernseher waren inzwischen in der S pielfeldmitte zusammengekommen und hielten sich in einem Kreis an den Händen. Auch Lambert hätte seine Nachbarn gerne an den Händen gefasst. Er wünschte sich, ein kariertes Hemd zu tragen wie sie. Stattdessen saß er einfach da und trank. Wahrscheinlich würden ein paar Gläser von dem Zeug jede Erinnerung an sein bisheriges Leben auslöschen, sodass er einfach sitzen bleiben, für immer diesem S piel zuschauen und irgendwann in einer unvorstellbaren, unausweichlichen Zukunft sogar dessen Regeln begreifen könnte. Selten hatte Lambert so sehr das Gefühl gehabt, auf der Welt zu sein. Einfach, weil es niemals so zufällig gewesen war, wo auf der Welt er sich gerade befand. Vielleicht hatte ihm auch einfach jemand O.-k.-Tropfen ins Glas getan.

8
    Â»Ich weiß, es gehört sich nicht für ein Mitglied der Flugsicherheit – aber heute hatte ich wirklich Angst.« Der Satz hing in der Dunkelheit des Zimmers wie ein Geruch, ohne erkennbare Herkunft, ohne Ziel. Ganz allmählich nur löste er sich auf.
    Sie lagen in dem Queensize-Bett, Sascha zwischen ihnen, die leise schnaufte im Schlaf. Wer war auf die Idee gekommen, solche Betten mit nur einer einzigen riesigen Decke zu beziehen? Beim Aufbruch an der Bar hatte es noch Schwierigkeiten gegeben, Lambert hatte nicht bedacht, dass er nicht genug Bargeld dabeihatte. Am Ende, als seine Nachbarn immer näher gerückt waren, hatte er die Hand vor die Stirn geschlagen und sich erinnert, oben im Koffer noch Geld zu haben. Ein Trick. Er konnte nur hoffen, dass sie die Zimmernummer nicht herausfanden.
    Seit Viola die Nachttischlampe gelöscht hatte, hatten sie stumm nebeneinandergelegen. Nur an der Tatsache, dass er sie nicht atmen hörte, erkannte Lambert, dass auch Viola noch nicht schlief. Lambert fiel wieder ein, dass sie schwanger war, die beiden hatten die Reise gemacht, um Saschas Großvater die Nachricht zu überbringen. Warum lag er hier neben dieser Frau? Und warum gab es so viele davon auf der Welt? Hatte er nicht bereits eine?
    Â»Auf dem Weg ins Flugzeug hat Sascha die Bordkarten genommen, um unsere Plätze zu suchen. Beim Hinsetzen hat sie mir meinen Abschnitt zurückgegeben und gesagt, ich säße auf dem Tode s platz.«
    Â»Wie bitte?« Lambert stützte sich auf. Er wusste, wo sie lag, doch in der Dunkelheit war von Violas Gesicht nicht mehr zu sehen als der schwache Widerschein vom roten Licht des Radioweckers in ihren Augen.
    Â»Ich habe es auch nicht geglaubt. Aber unten auf dem Schnipsel stand tatsächlich in Großbuchstaben dieses Wort, TOD . Ich gebe zu, dass meine Hand zitterte. Vielleicht hat es deshalb ein bisschen gedauert, bis ich erkannte, dass es die Platznummer war, 10 D . Ich habe dann einfach versucht, es zu vergessen.«
    Â»Bis die Durchsage kam.«
    Â»Zu unserer Ausbildung bei der Flugsicherung gehörte ein

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