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Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Titel: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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Chaos einen Hammer, ein paar Nägel und eine rostige, stumpfe Säge zu finden. Ich klopfe
     aus dem Abfallholz, das in der Scheune rumliegt, etwas zusammen mit |35| vier Wänden, einem Deckel und einem Türchen. Sieht eher aus wie das Werk eines durchgeknallten Objektkünstlers als wie ein
     Stall für Enten. Hoffentlich werden sie es trotzdem als solchen erkennen und akzeptieren. Futter und Stroh rein, und jetzt:
     mit Engelsgeduld die guten Quaker hineinkomplimentieren.
    Versuchen Sie nie, Enten mit Druck in einen Stall zu scheuchen oder zu treiben. Enten werden sehr schnell nervös, rennen hysterisch
     überallhin, aber ganz sicher nicht in ein dunkles Loch, bei dem sie nicht wissen, was sie dahinter erwartet. Könnte ja auch
     der Eingang zu einem Fuchsbau sein, nicht wahr?
    Auf dem gewohnten Bauernhof in der Schweiz sind sie auf den Zuruf «Gang äntli hei, Äntli» brav in den Stall gewatschelt. Was
     sich wie Chinesisch liest, ist Schweizerdeutsch und heißt so viel wie «Geht endlich heim, Entchen!». Mantramäßig wiederhole
     ich auch jetzt mein «Gang äntli hei, Äntli». Ich kann richtig zusehen, wie die Relais in den Entenhirnen heißlaufen. «Was
     will der, ist der durchgeknallt? Wo ist unser Zuhause, wo sollen wir denn hin? O weh, wir sind verloren, der Fuchs wird uns
     holen!» Noch nie zuvor habe ich mich Enten so seelenverwandt gefühlt   …
    Es wird immer dunkler, die verdammten Enten müssen rein! Ich spüre Ungeduld in mir hochsteigen und weiß gleichzeitig: Mit
     Druck läuft da gar nix. Also zwinge ich mich mit letzter Kraft, das allerletzte Milligramm Gelassenheit zu mobilisieren, und
     verwandele mich nun wirklich zum tibetanischen Mönch mit meinem «Gang äntli hei, Äntli, gang äntli hei, Äntli   …». Wenn mich jetzt einer der Amerikaner sehen würde, er müsste zur Gewissheit kommen: Die Neuen sind voll bekloppt.
    Aber das Mantra zeigt Wirkung. Bei einer Ente schalten die Relais plötzlich auf «Alternativmodus». Sie scheint zu begreifen,
     dass dieses seltsame Ding, das da rumsteht, möglicherweise eine Art Zuhause sein könnte. «Dunkler Eingang, dahinter Stroh
     und |36| Körner. Mal sehen   …» Sie verlängert vorsichtig ihren Hals Richtung Öffnung, späht hinein und   … schlüpft durch. Jetzt nur nicht hektisch werden, Moor, suggeriere ich mir, immer weitermachen: «Gang äntli hei, Äntli, gang
     äntli hei, Äntli, gang äntli hei, Äntli   …» Schwupp, Ente zwei ist drin, dann die dritte und gleich darauf auch die letzte. Brettchen vor den Eingang und, mangels
     Scharnier, zugenagelt. Fertig. Lauschen. Ruhe im Karton. UFF!

|37| Erkenntnis
    Über Amerika ist die Nacht hereingebrochen. Die Milhoffs haben sich vom Hof gemacht, nicht ohne fröhlich anzukündigen, sie
     seien dann morgen früh wieder da. Ich freu mich schon auf sie   … Die Pferde (natürlich auch die fremden) und die Esel sind versorgt, die Enten sicher, die Situation im Katzenkeller ist
     nicht ideal, aber lebbar, und unsere beiden treuen Sennenhunde pennen im Gras.
    Endlich Zeit für uns. Hunger. Wir spazieren durch das friedlich nächtliche Dorf zur «Grauen Gans». Schlagen uns die Bäuche
     voll. Die Wirtsleute lerne ich nur kurz kennen, will nichts Neues mehr aufnehmen für heute. Hab nur noch Platz für das, was
     Sonja erzählt.
    Von ihrer Verzweiflung, als sie heute nach Amerika kam und feststellte, dass das Haus noch vollständig eingeräumt war. Wie
     sie zähneknirschend half, den Milhoff’schen Kram in Kartons zu packen, in der Hoffnung, dass das Haus bis zum Abend vielleicht
     doch noch leer würde. Ihren Zorn, als sie feststellte, dass der gute Herr Milhoff tatsächlich vorhatte, alles mit seinem Minihängerchen
     zu transportieren. Dass er infolge davon nur im Auto saß und |38| zwischen Amerika und dem neuen Wohnort bei Wickelitz hin- und herpendelte. Jedes Mal den Umweg nehmend, weil ja die «Brücke»
     – wir erinnern uns – gesperrt war. 90   Kilometer für jeweils ein lächerliches Häufchen Habseligkeiten   …
    Sonja erzählt, wie unsere Tiere viel früher als erwartet eintrafen, wie sie die Weide noch nicht vorbereitet hatte vor lauter
     Milhoff-Stress, wie großartig unsere Schimmelstute die Esel als Herde vor den anderen Pferden abschirmte, bis die zweite Koppel
     abgetrennt war. Wie sie sich ausmalte, was ich wohl sagen würde, wenn ich nach der langen Fahrt ankäme und dieses Chaos vorfinden
     würde. Wo sie sich doch vorgenommen hatte, dass alles schön und

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