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Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Titel: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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friedlich sein sollte, «wenn mein weißer Ritter angeprescht
     kommt in seinem weißen Jeep». Meine tapfere Frau hat einen wahren Horrortag erlebt, während ich noch gemütlich auf der Autobahn
     in Trucker-Romantik schwelgte.
    Die Bäuche voll, die Körper todmüde, aber mit einem Gefühl der Zusammengehörigkeit, das wahrscheinlich auch die alten Siedler
     und Pioniere vor Hunderten von Jahren so erlebt haben, gelangen wir wieder zum Hof. Nachdem in alle Tierställe schläfrige
     Ruhe eingekehrt ist, inspizieren wir nun auch den unseren, das Haus. Ich bin vorgewarnt, Sonja hat mir Innenaufnahmen geschickt.
     Aber die Livewirkung in 3-D schlägt dann doch voll ins Kontor.
    Blümchentapeten, an jeder Wand in anderer Variante, eine kitschige Luxuswanne im Bad, eine gleichermaßen teure wie hässliche
     Einbauküche im «Landhausstil» mit quietschgelber Raufaser, die alten Holzböden zugekleistert mit Fertigparkett in «Nuss» und
     «Bambus». Die guten Milhoffs haben unter Einsatz von sehr viel Geld kräftig versucht, aus dem Bauernhaus eine Art Landjunker-Altensitz
     zu machen. Das Ergebnis: extrem neurosefördernd.
    «Lass uns als Tagesabschluss ein Schlückchen Wein nehmen. Aber bitte draußen», schlage ich vor.
    |39| Wir sitzen mit unseren Gläsern hinter dem Stall auf der Bank und blicken über das Land. Unser Land. Die Koppeln erscheinen
     im Mondlicht sagenhaft groß. Das tröstet. Die Weite, darüber der riesige, sich wölbende Sternenhimmel. Ich entspanne mich.
    Doch dann merke ich, dass ich mein in den Voralpen antrainiertes inneres Alarmsystem mitgebracht habe. Jedes Mal, wenn ein
     Auto hinterm Haus langfährt, geht es los. Auf unserem Berg war nie ein Auto zu hören gewesen, und wenn, dann weil jemand auf
     den Hof fuhr. Autogeräusch bedeutete: Achtung, Achtung, da will einer was von dir, du musst dich kümmern! Werde ich mich je
     daran gewöhnen können, Autos zu hören und sie dennoch nicht bewusst zu registrieren? Will ich das überhaupt?
    Den Hunden geht es wie mir, auch sie schlagen bei jedem Reifenknirschen an. «Oh, das wird Ärger geben», fürchtet mein kleiner
     Schweizer, «schon morgen werden eure Nachbarn vor der Tür stehen und sich über das nächtliche Gebell beschweren.»
    Dann aber höre ich: Dies ist ein Hundedorf. Alle paar Minuten kläfft es irgendwo. Die Toleranzschwelle der Amerikaner scheint
     wesentlich höher zu liegen als die meiner Landsleute.
    Zum ersten Mal schwant mir, dass weiße Linien am Straßenrand und viele Vorwarnschilder zwar ganz praktisch sind, aber auch
     Ausdruck einer Durchreglementiertheit, die dem wirklichen Leben kaum noch Platz zum Atmen lässt. Das Zusammen-Leben wird eng
     und schwierig. Die Freiheit, auch mal fünfe gerade sein zu lassen, ist in unserer zunehmend ver-USA-ten Gesellschaft, in der
     eigene Verantwortung, eigenes Urteilsvermögen abgegeben werden an Anwälte und Richter, immer rarer und nicht wertvoll genug
     zu schätzen. Sollten wir hier ein freieres Land entdeckt haben, in welchem der gesunde Menschenverstand, das Gespür für Maß
     und Unmäßigkeit höher geschätzt werden als Reglementierungen?
    |40| Ich ahne nicht, dass diese großzügige Toleranz, die man dem nächtlichen Gebell unserer Hunde gerade entgegenbringt, bald auch
     von mir selber gefordert werden wird. Sehr bald: noch in dieser ersten Nacht.

|41| Freuden der Nacht
    Wir liegen in fremden Betten im eigenen Haus. In den Gästebetten der Milhoffs, die sie uns zur Verfügung gestellt haben, bis
     wir «dann unser Bett aufstellen können», wie sie mitleidig sagten. Dass wir das längst getan hätten, wenn sie ihre Möbel –
     statt sie uns «zur Verfügung zu stellen» – einfach rausgetragen hätten   … ach, was soll’s. Umgeben von orangefarbenen Blumenmustertapeten, spärlich zugedeckt mit einer grünen Blumenmusterdecke,
     das müde Haupt gebettet auf einem blauen Blumenmusterkissen, zwischen uns eine tiefe, grabenartige Gästeritze, liegen meine
     Sonja und ich platt auf unseren Rücken, die Hände über der Decke gefaltet, wie bereit, einbalsamiert zu werden, und starren
     an die meeresblaue Zimmerdecke. Wir warten auf den erlösenden Schlaf. Aber die Gedanken kreisen:
    Morgen wird ein anstrengender Tag. Milhoffs Zeug raus, unser Zeug rein, die fremden Pferde irgendwohin, die Katzen der Milhoffs
     irgendwie einfangen, damit sie sie irgendwie mitnehmen können   … Die Enten werden bei Tagesanbruch unruhig, die müssen aus dem Stall, spätestens um sechs

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