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Was wir sind und was wir sein könnten

Was wir sind und was wir sein könnten

Titel: Was wir sind und was wir sein könnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Hüther
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unserer eigenen, subjektiven Bewertung als wichtig und bedeutsam erscheint.
    Natürlich ist das am Anfang des Lebens besonders viel. Erinnern Sie sich noch an das Gefühl, mit dem Sie damals als kleines Kind unterwegs waren? Mit dieser unglaublichen Offenheit, mit dieser Gestaltungslust und Entdeckerfreude und vor allem: mit dieser den ganzen Körper durchströmenden Begeisterung über sich selbst und über all das, was es damals für Sie alles zu entdecken und zu gestalten gab. Zwanzig bis fünfzig Mal am Tag erlebt ein Kleinkind diesen Zustand, und jedes Mal kommt es dabei zur Aktivierung der emotionalen Zentren im Gehirn. Jeder dieser kleinen Begeisterungsstürme führt gewissermaßen dazu, dass im Hirn die Gießkanne mit dem Dünger angestellt wird, der für alle Wachstums- und Umbauprozesse von neuronalen Netzwerken gebraucht wird.
    Und das, was für jedes Kind ganz am Anfang des Lebens, sogar schon vor der Geburt am wichtigsten ist, woher alles kommt, was oben im Hirn ankommt, und wovon alles abhängt, was dort oben passiert, das ist natürlich der eigene Körper. Der ist allen Kindern anfangs immer besonders wichtig, und deshalb begeistern sie sich auch alle so sehr, wenn es ihnen Schritt für Schritt gelingt, ihren eigenen Körper kennenzulernen, ihn immer besser selbst zu bewegen, zu lenken und zu steuern, um ihn am Ende dieses Entwicklungsweges schließlich zu beherrschen. Dann kann das Kind sich drehen, wenn es will, krabbeln, wenn es will, laufen, rennen, klettern, schwimmen, Rad fahren, wenn und wie es will. Und alles lernt es mit Begeisterung. Jedenfalls solange es von niemandem daran gehindert und von niemandem dazu gezwungen wird.
    Und natürlich wird die Begeisterung am Entdecken des eigenen Körpers noch einmal zusätzlich verstärkt, wenn jemand da ist, der sich auch mit darüber freut, wenn wieder eine komplizierte Bewegung gelungen ist, wenn ein schwieriges Wort richtig ausgesprochen, ein Ton beim Singen genau getroffen worden ist. Denn auch das Sprechen und Singen ist Entdeckung und Nutzung des eigenen Körpers, in diesem Fall zur Lauterzeugung. Nichts aber unterdrückt die angeborene Lust am Entdecken des eigenen Körpers so nachhaltig wie eine Abwertung oder gar Beschämung durch emotional nahestehende, besonders wichtige Personen. »Du watschelst wie eine Ente, Du hüpfst wie ein nasser Sack, Du singst wie eine Krähe.« Wer das zu hören bekommt, der verliert ganz schnell die Lust am Laufen und Rennen, am Springen und Klettern, am Sprechen und Singen, manchmal für immer.
    Und damit ist auch schon das Zweite genannt, das allen Kindern am Anfang ihres Lebens so wichtig ist: Dass sie bereit sind, alles ihnen Mögliche zu tun und alle anderen Bedürfnisse zu unterdrücken, wenn ihnen dafür das geschenkt wird, was sie mehr als alles andere brauchen, um leben, um wachsen, um die in ihnen angelegten Potentiale entfalten zu können: Zuneigung, Nähe, Verbundenheit. Eine Sicherheit bietende Bindungsbeziehung nennen das die Entwicklungspsychologen, und weshalb die nicht nur für Kinder so wichtig ist, wissen die Stressforscher inzwischen sehr gut. Ohne dieses Gefühl von Verbundenheit und Zugehörigkeit fühlen sich auch noch Erwachsene, aber in noch viel existentiellerer Weise alle kleinen Kinder, allein gelassen, verunsichert, ohnmächtig und hilflos allen Problemen und Schwierigkeiten des Lebens ausgeliefert. Das beherrschende Gefühl in solchen Situationen ist Angst. Auf körperlicher Ebene kommt es dann zu einer unkontrollierbaren Stressreaktion, und an deren Auswirkungen würde ein Kind sterben, wenn es ihm nicht gelänge, irgendeine Lösung zu finden.
    Die einfachste, selbstverständlichste und naheliegendste Lösung für alle Probleme, die ein Kind noch nicht selbst lösen kann, besteht darin, Hilfe zu holen. Aber um jemanden herbeirufen zu können, der einem hilft, muss man jemanden haben, der dann auch wirklich kommt, dem man vertrauen kann, mit dem man sich verbunden, bei dem man sich geborgen fühlt. Deshalb, weil sie gar nicht allein überleben können, gewinnen all jene Menschen, die einem Kind zur Seite stehen und es auf seinem Weg begleiten, so eine ungeheure Bedeutung. Für diese Personen, also für Mama, für Papa, vielleicht auch für ein Geschwister oder ein anderes Familienmitglied und später für ihre Freunde, sind Kinder bereit, alles zu tun. Jedenfalls solange sie sich mit diesen Personen verbunden fühlen, solange sie also noch nicht von ihnen oder durch sie enttäuscht,

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