Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wasdunkelbleibt

Wasdunkelbleibt

Titel: Wasdunkelbleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
einem Tisch direkt neben dem Kachelofen, den Claude-Yves für besondere Gäste freihielt. Am Freitag brummte es im Restaurant wie in einem Bienenstock. Gaststube und Nebenraum waren bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Weihnachtsdeko kam immer noch bescheiden daher. Claude hielt es minimalistisch mit je einer roten Kerze pro Tisch.
    »Ich bin aus dem Rennen.« Freiflug berichtete haarklein von seinem Zusammenstoß mit Woncka. Er war leichenblass im Gesicht.
    »Jetzt trink erst mal was. Versuch’s mit einem Rotwein. Der wärmt«, stichelte ich.
    Claude-Yves brachte eine Flasche von seinem besten Chianti. Er wusste, es war meine Lieblingssorte.
    »Wohl bekomm’s«, munterte er uns auf. »Wie geht’s Nero?«
    »Er ist auf dem steilen Weg der Besserung.«
    »Na, Gott sei Dank. Ganz schön viel Ärger auf den Straßen. Es hat sechs Grad unter null. Die haben den ersten massiven Schneefall der Saison für diese Nacht angekündigt.« Er zwitscherte ab.
    »Weißt du, was Oscar Wilde gesagt hat, Markus? Nach einer guten Mahlzeit kann man allen verzeihen, selbst den eigenen Verwandten.« Ich kostete vom Wein.
    Freiflug versuchte ein Lächeln. Es misslang.
    »Woncka hat dir also einen Zwangsurlaub verpasst?«
    Freiflug trank sein Glas in einem Zug aus. »Weißt du, ich habe alles mehrmals durchgecheckt. Jeden einzelnen Programmabschnitt. Und da war nichts von dem zu sehen, was ich vorher entdeckt hatte. Keine Backdoor. Keine heimlich geöffnete Pforte. Keine Spur von x 03 oder Dv 0 ttny.«
    »Sprich, der Zaun ist repariert und es sieht so aus, als wäre da nie ein Loch gewesen?«
    »So ist es.«
    Claude brachte einen Gruß aus der Küche: Selbstgebackenes Rosmarinbrot und einen Fischaufstrich, der nach Sommer duftete. Während er zurück in die Küche watschelte, konnte er es nicht lassen, ein paar Gäste anzuquatschen und an Freiflugs und meinen Tisch zu zeigen. ›Das ist sie‹, hörte ich ihn bedeutungsschwer sagen. Dazu rollte er mit den Augen und grinste mir zu.
    »Ach, Claude-Yves, du Riesentölpel«, murmelte ich.
    »Was?« In Freiflugs Gesicht lag eine ähnliche Verstörtheit, wie ich sie heute bei Nero gesehen hatte. Eine Art Betäubung, als sei plötzlich und zum allerersten Mal in ihrem Leben die Erkenntnis zu ihnen durchgedrungen, dass die Welt nicht nach sinnvollen Regeln funktionierte. Sie waren beide talentierte Typen, die mit ihren Pfunden nicht zu wuchern verstanden, sich von der Ignoranz der Welt verunsichern ließen und in kindlichem Trotz beschlossen hatten, ihren Ärger für sich zu behalten. Die unterdrückte Wut hatte Nero einen Herzinfarkt beschert. Freiflug war dabei, sich die Kante zu geben. Im Großen und Ganzen war das gesünder.
    »Dann muss jemand das, was du zuvor entdeckt hattest, schnellstens rückgängig gemacht haben. Anders geht’s ja nicht.«
    Freiflug stopfte sich ein Stück Brot in den Mund. »Wenn das clever vorbereitet ist, hast du auf einen einzigen Knopfdruck eine vorherige Programmversion rekonstruiert. Also: so gut wie. Es war alles geplant. Ausgeklügelt. Jemand hat mich ins offene Messer laufen lassen.«
    »Wer wusste von deiner Entdeckung?«
    »Ich habe erst auf der Pressekonferenz einen Hinweis gegeben. Wollte einen Köder auslegen. Wenn ein Insider sich hier was zuschulden hat kommen lassen, muss ihn meine Andeutung gewarnt haben. Danach habe ich Woncka meine Ausdrucke ins Büro gebracht.«
    »Also konnte jemand, der auf der Pressekonferenz anwesend war, raushören, dass du einem geheimnisvollen Türsteher auf den Fersen warst. Diese Person brauchte nun bloß den Zaun zu flicken!«
    »Es ist unvorstellbar. Ich hätte bis heute nicht einmal von einer derartigen Situation geträumt!«
    »Du kannst es dir vielleicht nicht vorstellen. Aber denkbar ist es! Einer aus eurem Team oder einer aus dem LKA, der sich auskennt, hätte rein technisch genau das machen können, was du vorhin beschrieben hast. Ein gigantischer Betrug. An der Behörde, an dir, am Team. Es war jemand, der die Gelegenheit und ausreichend Zeit hatte, um sich mit den Schutzmechanismen vertraut zu machen.«
    Claude-Yves brachte eine Platte mit Seezunge, Dorade und Tintenfisch. Freiflug starrte auf den Teller, der die Maße eines Sofatisches besaß.
    »Das ist das Paradies. Nicht wahr?« Stolz lächelte Claude auf uns herab.
    »Nicht für die Fische, soviel ist klar«, antwortete ich.
    »Spielverderberin. Meine Gäste sind neugierig auf dich, Kea.«
    »Ich bin schon vergeben. Sieh zu, dass du ihnen unser Buch

Weitere Kostenlose Bücher