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Wasdunkelbleibt

Wasdunkelbleibt

Titel: Wasdunkelbleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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schnaubte Woncka. »Reichen Sie Urlaub ein, wenn Sie wollen, fahren Sie zum Schnorcheln auf die Malediven und platzen Sie hier bloß nicht mehr rein, bis wir die Sache mit dem Defacing geklärt haben. Ist das klar? Ist das, verdammt noch mal, klar?«
    Freiflug schlug die Hacken zusammen. »Jawohl, Herr Polizeioberrat.«
    Woncka beachtete die beißende Ironie nicht weiter. Er verließ Freiflugs Büro und schlug die Tür hinter sich zu.
     
     

45
    Wir trafen uns an der Autobahnraststätte Vaterstetten. Er hatte mir Grüße von Freiflug ausgerichtet und mich herbestellt. Juliane blieb im Auto. Als Schützenhilfe. Man konnte nie wissen.
    Mossbach wirkte wie eine gigantische Sprungfeder. Er strahlte eine immense Kraft aus. Körperlich und geistig. Seine Augen glühten vor Eifer, in einem eisigen Blau. Ich holte mir einen Kaffee und setzte mich zu ihm. Er trank seinen schwarz, wie ich. Da hatten wir eine Gemeinsamkeit.
    »Haben Sie die Unterlagen dabei?«
    Ich reichte ihm rüber, was ich bisher über Dv 0 ttny geschrieben hatte. Nicht ganz wenig. Mossbach studierte den Text mit gerunzelter Stirn, trank in großen Schlucken seinen Kaffee dazu. Schließlich schob er die Blätter von sich und fragte: »Und welchen Eindruck haben Sie von ihm? Persönlich?«
    »Ein Teenagertyp. Noch ein richtiges Jungtier.«
    Mossbach lachte. »Dv 0 ttny ist einer, dem die Hackerkarriere irgendwie widerfahren ist, ohne dass er es drauf angelegt hätte. Um Zäune herumschleichen, das machen viele Jugendliche, aber die feste Absicht zu fassen, dahinterzuschauen – dazu gehört Mumm.« Ohne ein Wort stand er auf und holte sich einen zweiten Kaffee. Er stellte mir ebenfalls ein Haferl hin.
    Draußen war es längst dunkel. Um uns zogen Wochenendurlauber ihre Kreise. Brummifahrer begrüßten einander. Leberkäse, Frikadellen und Bratwürste mit Kraut wurden über den Tresen gereicht. Das Gewusel spiegelte sich in den Scheiben der Raststätte. Mir war mulmig.
    »Dv 0 ttny orientiert sich zur Absicherung gern an anderen. Als suche er eine Koryphäe, der er nachlaufen kann, damit sie ihm den Kopf tätschelt. Er ist einer, der im Kielwasser mittreibt«, spann Mossbach das Psychogramm weiter. Wir sprachen von Bastian, als sei er noch am Leben.
    »Ich habe ihn durchaus als einen Menschen empfunden, der rebelliert«, warf ich ein.
    »Das tun alle Jugendlichen. Gegen die Eltern, die übervorsichtige Mutter in dem Fall«, er schlug mit der Hand auf das Papier. »Daraus wächst so eine Jetzt-erst-recht-Haltung.«
    »Aber er war kein Jugendlicher mehr.«
    »Die sind alle offiziell volljährig und benehmen sich wie Welpen.«
    »Bastian beschrieb seine Hacks, als fühlte er bei jedem Einbruch einen Kick. Eine Art Rausch, vergleichbar mit einem Joint.«
    »Penetration. Er penetriert fremde Welten. Klingelt da was?«
    »Ich bin nicht verklemmt«, knurrte ich. »Also reden Sie nicht mit mir, als wäre ich Ihre Großtante.«
    »Warum wohl sind die meisten Hacker männlich?«
    »Weil sie ihren Sextrieb umlenken?«
    »Er hat einen besten Kumpel, und der macht irgendwann mit Mädchen rum. Ein ganz normaler Jugendlicher. Er interessiert sich für Mädchen, wie sie ihr Haar in den Wind hängen und womit sie sich das Gesicht bemalen. Er überlegt, wie er sie ansprechen kann, dann macht er sich einen Kopf, wie er zu einem Kuss kommt, wie er ihren Busen berührt, immer so weiter. Ein Hacker …«
    »Dv 0 ttny hat sich nicht an Mädchen rangetraut. Stattdessen hat er fremde Rechner erobert. Na gut, aber was jetzt? Wer ist nbn6? Und wer ist rekinom?«
    Mossbach wedelte mit seinem dicken Zeigefinger vor meiner Nase herum. »Stopp, stopp, stopp. Die psychische Grundausstattung eines Hackers zu kennen, ist immer der erste Schritt, um herauszufinden, was er wirklich getan und womit er nur geprahlt hat.« Er hob die Hand. »Seine charakterlichen Attribute sagen uns auch, mit welchen Typen er im Netz Beziehungen einging und zu wem er außerhalb der virtuellen Welt Vertrauen fasste.«
    Ich lehnte mich zurück. Mossbachs machtvolle Präsenz würde selbst mich auf Dauer einschüchtern. Wurde Zeit, dass ich ein bisschen Abstand zwischen uns beide brachte.
    »Ich glaube, ich weiß, was Sie sagen wollen. Dv 0 ttny ist außerordentlich talentiert. Ehrgeizig. Er ist ängstlich, aber zugleich in einer Lebensphase, in der er rebelliert. Das ergibt eine explosive Mischung.«
    Mossbach holte Luft, aber ich war schneller. »Moment, ich bin dran. Viele ängstliche Typen suchen gerade die

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