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Wasser zu Wein

Wasser zu Wein

Titel: Wasser zu Wein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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bietenden günstigen Gelegenheit an von der Lotte ausgelassen.« Kosinski stand auf und holte sich den großen Wirtshausaschenbecher, den Janz auf den Knien balancierte. »Aber was mich irritiert hat: Ein Mord an Panitz wäre weitaus logischer gewesen als an von der Lotte. Panitz’ Agitation gegen das Projekt Titusborn war viel gefährlicher für Klar.«
    »Aber Klar war doch mit Panitz befreundet«, sagte Michael mit belegter Stimme.
    »Das hat noch nie jemanden gehindert.« Kosinski sah seinen Untergebenen an. Fast hätte er seine schnippische Bemerkung bereut. Der sonst so selbstbewußte Junge war blaß und hob kaum die Augen. Was war los mit Michael? Hatte er so wenig Nerven?
    Zugegeben: Die Situation gestern nachmittag hatte sich dramatisch zugespitzt. Sie waren zur Burg Monrepos gefahren. Der logische Ort für einen verzweifelten Mörder. Michael hatte den Wagen und Kosinski stehengelassen, war durch den Burghof gerannt und dann die steile Treppe regelrecht emporgeflogen. Oben hatte er Sebastian entdeckt. Der Wirt hatte hinter der Balustrade gestanden, die den Treppenaufgang umgab, das Gewehr in der Hand, und die beiden Frauen beobachtet. Er hatte Michael nicht kommen gehört. Der Junge hatte ihm die Waffe aus der Hand geschlagen und ihn überwältigt. Dabei hatte sich ein Schuß gelöst – das war Kosinskis Meinung nach nicht zu verhindern gewesen. Aber Michael würde es sich wahrscheinlich lange nicht verzeihen, daß der Schuß getroffen hatte.
    Den Verzweiflungsschrei, den Sebastian ausstieß, hatte Kosinski noch einen Stock tiefer gehört. »Elisabeth!« hatte der Mann geschrien. Wie ein verletztes Tier. Dann war Kosinski bei ihm gewesen und hatte ihm die Handschellen angelegt.
    Kosinski stand auf und reichte Janz den Aschenbecher zurück. Michael hatte heute noch kein einziges Mal protestierend zu ihm hinübergesehen, obwohl er eine nach der anderen rauchte und das auch noch in geschlossenen Räumen. Man vermißte ja richtig was. Michael schien überhaupt nirgendwo hinzusehen. Noch nicht einmal Karen sah er an. Dabei war er gestern zuerst zu ihr gerannt, zu Karen, die von Elisabeth von der Bank gestoßen worden war – als ob sie sie hätte beschützen wollen. Elisabeth mußte ihren Mann also gesehen haben. Und womöglich auch den Gewehrlauf. Und sie mußte gewußt haben, daß Klar eine Gefahr darstellte – nicht nur für sich selbst.
    Kosinski sah zu Karen Stark hinüber. Die Staatsanwältin blickte Michael an. Beinahe zärtlich. Fast ebenso zärtlich wie Hannes Janz, der Agata zulächelte. Aber die guckte wenigstens, leicht errötend, zurück.
     
    Karen fühlte, wie sich eine tiefe Müdigkeit in ihr ausbreitete – bis in die Zehenspitzen hinein. Eine große Müdigkeit und eine große Zärtlichkeit. Sie war sich nicht sicher, ob er ihr das Leben gerettet hatte, der junge Mann, der sich nicht traute, sie anzusehen. Trotzdem hätte sie ihn am liebsten in den Arm genommen. Er schien sich das alles nicht zu verzeihen. Dabei war sie schuld gewesen. Eindeutig. Und was war eigentlich schlimm daran?
    Sie erinnerte sich an die Wucht, mit der Elisabeth sie von der Bank gestoßen hatte. An den Schuß. Und an den Schmerz, als sie aufgeprallt war. Dann mußte sie in Ohnmacht gefallen sein, denn plötzlich hielt jemand sie im Arm und sagte: »Ist ja gut. Ist ja gut.« Sie hatte sich an den Mann geklammert, war ihm regelrecht um den Hals gefallen, hatte gar nicht gesehen, wer sie da festhielt, nur den Geruch nach Leder in der Nase gehabt und den leichten Duft eines Rasierwassers. Blind hatte sie ihr Gesicht an das seine gepreßt, an feste, straffe Haut, und es war das Natürlichste von der Welt gewesen, daß irgendwann seine Lippen auf ihren lagen. Kühle, weiche, zaghafte Lippen, die bald nicht mehr kühl und schließlich nicht mehr zaghaft waren. Sie spürte, wie ihr in der Erinnerung heiß wurde. Sie hatte leise aufgestöhnt, als er sich von ihr löste und »Verzeihung« in ihr Ohr flüsterte. Dann hatte er sie hochgehoben. Es gab nur wenige, die das geschafft hätten. Karen Stark bewunderte Muskeln.
    Und jetzt sah er sie nicht mehr an. Ob er sie jemals wieder ansehen würde? Unwahrscheinlich. Verdammt schade, dachte sie und seufzte auf.

9
    Frankfurt am Main
     
    Der Mann mit der besten Bratwurst auf dem Bauernmarkt an der Konstablerwache legte ihnen eine extra auf den Teller.
    »Guck ich so hungrig?« fragte Karen.
    Der Vogelsberger Bauer lachte. »Wer soviel Gips mit sich herumschleppt, braucht was auf die

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