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Wasser zu Wein

Wasser zu Wein

Titel: Wasser zu Wein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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aufgehört, er glaubte nur noch ein Winseln zu hören.
    »Hierher!« rief eine Stimme. »Hilfe!«
    Als Michael ins Wohnzimmer platzte, stützte Agata einen zerbrechlich wirkenden Frieder Wallenstein, der auf dem Boden saß und seiner alten Töle den Kopf kraulte.
    »Er wollte Hilfe holen!« Die Haushälterin schüttelte ungläubig den Kopf. »Ohne Rollstuhl! Er kann doch keinen Schritt gehen!«
    Gemeinsam hoben sie Wallenstein in den Sessel am Fenster.
    »Was gebrochen?«
    Der alte Mann schüttelte den Kopf.
    »Und was ist passiert?«
    »Der Verrückte kam vorhin reingeschneit, ohne zu klingeln.« Die Perski hatte sich auf die Armlehne des Sessels gesetzt und tätschelte dem alten Herrn die Schulter. »Erst hat er mich beschimpft, und dann hat er mit dem Gewehr herumgefuchtelt, das immer hinter der Haustür steht.«
    »Um Himmels willen«, sagte Wallenstein mit schwacher Stimme.
    »Ich hab’s ihm wieder abnehmen wollen, dabei hat er mich gestoßen, und ich bin hingefallen.«
    »Und dann?« Kosinski stand im Türrahmen.
    »Dann bin ich ihm hinterhergelaufen. Am Rheinufer habe ich ihn aus den Augen verloren.«
    »Komm, Michael«, sagte Kosinski. Aber Michael war schon wieder schneller gewesen.

7
    Beinahe wäre sie über das Tier gestolpert. Die schwarzweiße Katze warf sich ihr regelrecht in den Weg, als Karen in die Gasse einbog, die zur Burg Monrepos führte – es sah fast so aus, als hätte das Tier auf sie gewartet. »Husch!« machte Karen und versuchte, es mit der Krücke zu verscheuchen. Mönch fixierte sie aus gelben Augen und stieß ein dünnes Greinen aus, wie ein Kind – oder wie ein Greis. Sie mußte lachen. Das also war das Geräusch gewesen, das sich im Hotel so geisterhaft angehört hatte. Das Gespenst öffnete sein rosa Maul mit den kleinen spitzen Zähnen und gab einen auffordernden Laut von sich.
    »Na, dann komm mit«, sagte sie und machte sich auf den steilen Weg hinauf zur Burg. Die Katze lief vor ihr her, mal in kleinen Bocksprüngen, mal im Trab mit erhobenem Schwanz. Vor dem Tor zur Burg drehte das Tier sich um. Als ob es auf Karen wartete. »Rein mit dir!« sagte sie und bewegte sich durch den mit Kopfsteinen gepflasterten Innenhof zur Tür, auf der »Eingang« stand.
    Als sie vor der steilen Wendeltreppe mit den ausgetretenen Sandsteinstufen stand, verließ sie fast der Mut. Die Katze sprang vor ihr die Treppe hoch und maunzte ungeduldig. Schon recht – sie durfte nicht zögern. Es war keine Zeit mehr zu verlieren. Nach drei Umdrehungen machte sie auf dem Treppenaufsatz halt und wartete, bis sich ihr Herzschlag wieder beruhigt hatte. Mönch streckte einige Stufen höher seinen Kopf durch das Treppengeländer und rief nach ihr, die Augen weit aufgerissen unter dem schwarzen Fellkäppchen über dem weißen Gesicht. Karen spürte, wie sich die Erregung des Tieres auf sie übertrug, und setzte sich wieder in Bewegung. Ihre Arme schmerzten, und ihr Atem ging schneller. Nie wieder Sport, dachte sie.
    Vielleicht war sie deshalb nicht früher auf die »Monrepos« gekommen. Weil sie vor der Aufgabe zurückgeschreckt war, auf Krücken steile Treppen zu erklimmen. Dabei war die Ruine eigentlich der logische Ort. Hier war Maximilian von der Lotte gestorben. Der Platz war für Mord wie für Selbstmord gleichermaßen gut geeignet.
    Und außerdem wollte die Katze unbedingt hierhin. Irgendwie verließ sie sich auf das Tier – auch wenn sie keine Ahnung hatte, ob dessen Intelligenz ausreichte, Herrchens oder Frauchens Not zu bemerken und entsprechend zu handeln. Geschichten von treuen Hunden oder Pferden gab es zuhauf. Aber Katzen?
    Der kleine Mönch jedenfalls strebte zielsicher nach oben, immer weiter nach oben. »Turmaufgang« stand an einer mit dunkler Farbe gestrichenen, halb offen stehenden Brettertür. Karen blieb stehen, um tief Luft zu holen. Die Treppe wurde noch steiler. Und noch schmaler. Weißgott nicht behindertengerecht.
    Auf der Hälfte des Weges spürte sie, wie ihre Kräfte nachgaben. Sie lehnte sich nach vorne, aus lauter Angst, nach hinten zu fallen und abzustürzen. Im selben Moment wurde ihr schlecht. Die Katze kam ein paar Treppenstufen zurückgelaufen, trat aufgeregt von einer Pfote auf die andere und rief nach ihr. Einige Sekunden lang konnte Karen nicht vor – und auch nicht zurück, allein der Gedanke führte zu einem weiteren Schub von Übelkeit. »Hilf Himmel«, flüsterte sie. Wenn das so weiterging, wurde sie wieder katholisch.
    Wie zum Beweis, daß es noch Wunder gab, war

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