Wasser
großen blauen H 2 O-Zeichen ist alles andere geradezu enttäuschend gewöhnlich – Geräusche, Geschwindigkeit, Federung. Doch als mich der Busfahrer auf einer Sondertour von Reykjavik durch die öde schwarze Landschaft in Richtung Thing-vellir fährt – wo vor fast tausend Jahren die Wikinger zu Beratungen zusammenkamen –, spüre ich doch so etwas wie das »Rauschen der Geschichte«. Denn ich durchfahre das alte Land der Wikinger in einem Bus, der keinerlei Abgase ausstößt, sondern nur Wasser. Wesentlich interessanter – und weitaus revolutionärer – ist allerdings die Tatsache, dass dieser Bus ausschließlich mit Wasser angetrieben wird. Das Fahrzeug ist die praktische Illustration einer Technologie, die noch in den Kinderschuhen steckt, aber die Zukunft bedeuten kann.
Wir betanken den Bus an einer der weltweit ersten Tankstellen, die Wasserstoff verkaufen, der mithilfe von Wasserkraft und Elektrolyse vom Sauerstoff abgespalten wird. Die Tankstelle selbst kann durch eine Anlage Wasserstoff mittels Elektrolyse produzieren. Und da diese Anlage mit Strom aus Wasserkraft betrieben wird, lässt sich mit Fug und Recht behaupten, dass der Bus völlig emissionsfrei ist. Als wir weiterfahren, erzählt mir der Fahrer von den Problemen, die anfangs mit diesem Projekt verbunden waren, und von den hohen Treibstoffkosten. Doch auch die vielversprechende internationale Entwicklung lässt er nicht unerwähnt: In Japan sollenbis zum Jahr 2020 fünf Millionen Fahrzeuge mit wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellen auf dem Markt sein. Mehrere Länder bauen Infrastrukturen auf, damit wasserstoffbetriebene Fahrzeuge ihren Treibstoff an eigens dafür errichteten Tankstellen nachfüllen können.
Das Besondere an Island ist indes die Art der Wasserstoffproduktion, denn Wasserstoff ist ein Energieträger und keine Energiequelle. Wie viele andere Energieträger – zum Beispiel Benzin, Elektrizität oder Fernwärme – muss Wasserstoff aus einer Energiequelle gewonnen werden. Indem man Strom, also elektrische Energie, durch Wasser (H 2 O) leitet, wird dieses in Wasserstoff (H 2 ) und Sauerstoff (O 2 ) aufgespalten, wobei sich die Bestandteile in Gasform an den mit dem Wasser in Kontakt befindlichen Elektroden absetzen. Die Umwelteigenschaften des Wasserstoffs sind allerdings nicht besser oder schlechter als die Energiequelle, aus der er erzeugt wird. Genau wie Elektrizität kann Wasserstoff aus verschiedenen Energiequellen wie Kohle, Naturgas oder Bioenergie gewonnen werden – oder eben mithilfe der Elektrolyse aus Wasser. Die Produktion von Wasserstoff basiert überall auf der Welt derzeit noch primär auf fossilen Rohstoffen, am häufigsten auf Naturgasen. Zwar wird in Island mittlerweile Wasser für die Wasserstoffproduktion verwendet, doch diese Methode kann vorläufig noch keine globale Lösung darstellen. Eine vom Weltressourceninstitut (WRI) in Washington durchgeführte Studie zeigte, dass eine auf Elektrolyse basierende Wasserstoffökonomie in den USA so viel Wasser erfordern würde, wie in einem Zeitraum von drei Monaten die Niagarafälle hinunterstürzt; der US-amerikanische Wasserbedarf würde sich dadurch vergleichsweise um zehn Prozent erhöhen. Zwar habe ich den Untersuchungsbericht bisher nicht prüfen können, halte es aber für denkbar, dass er ganz korrekte Angaben beinhaltet, weil die heutige Technologie noch nicht so weit fortgeschritten ist. In Island steht hingegen so viel Wasserkraft und geothermische Kraft zur Verfügung, dass ein kohlenstofffreier Produktionszyklus – zumindest theoretisch – erreicht werden könnte, noch bevor irgendeinanderes Land dazu in der Lage ist. Das Busexperiment in Island kann durchaus fehlschlagen, und vorläufig ist die Technologie noch viel zu teuer. Doch deren Anhänger sind felsenfest davon überzeugt, dass Hochseeschiffe in Zukunft den Atlantik überqueren können, indem sie kleine Mengen Wasser als Energiequelle verwenden. So betrachtet hat der Bus, mit dem ich auf der »geheimnisvollen Insel« umhergefahren bin, durchaus einen Nutzen – als ein kleines Experiment, das den Beginn einer Entwicklung markiert, die vorläufig allerdings noch nicht absehbar ist.
»Wasser ist die Kohle der Zukunft«, sagt Cyrus Smith in Jules Vernes Buch. Jahrhunderte, nachdem in England und Wales Kohlenschächte immer tiefer in die Erde getrieben wurden und die Welt für immer veränderten, graben die Isländer heute noch viel tiefere, ja kilometerlange Löcher in den Boden, um das zu
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