Wasser
hinterließAufzeichnungen über diese Reise, den »Bericht über die Sitten und Gebräuche der Menschen und die geographischen Merkmale Kambodschas«. Darin beschreibt er die rituellen Waschungen der göttlichen Statuen, die göttliche Stellung des Königs, die schweren Perlen- und Goldarmbänder, die dieser um Hand- und Fußgelenke trug, dessen fünf Frauen sowie den Glauben des Volkes, dass der König über eine magische, beschützende Macht verfügte und sich aus Rücksicht auf sein Königreich jede Nacht mit einem Geist vereinigen musste, einem neunköpfigen Drachen, der in Gestalt einer Frau erschien. Aus verschiedenen Ursachen wurde Angkor im 16. Jahrhundert aufgegeben. Erst im Juli 1863 erfuhr die europäische Öffentlichkeit durch die Schriften des »offiziellen« Entdeckers, des Franzosen Henri Mouhot, von der Khmer-Zivilisation; auf der Pariser Kolonialausstellung im Jahr 1931 geriet das rekonstruierte Modell des Tempelkomplexes zu einer wahren Sensation.
Heute ist Angkor eine Touristenattraktion und mit dem Flugzeug von Phnom Penh aus leicht zu erreichen. Bei mir stellt sich immer eine gewisse Wehmut ein, wenn ich an den Wallgräben entlanglaufe, in denen sich die riesigen Tempel spiegeln, wenn ich die Angkor-Wat-Tempelanlage bei Sonnenuntergang betrachte (alles ist nach Westen, zum Tod hin, ausgerichtet) oder wenn ich durch den Haupteingang komme und den mit Steinplatten ausgelegten Weg über den Platz zu dem am weitesten entfernten Turm einschlage. Historiker gehen heute davon aus, dass diese Gesamtkonstruktion eine metaphorische Reise zurück in das Jahr Null symbolisiert – die Zeit also, in der das Universum erschaffen wurde. Doch trotz der großartigen Eleganz dieser Tempel und der zahlreichen anmutigen Statuen strahlt Angkor für mich in erster Linie Melancholie aus. Die ungeheure Energie und das hohe Maß an gesellschaftlicher Organisation, die diese majestätischen Bauten ausdrücken, werden besonders auffällig, wenn man sich bei ihrem Anblick vor Augen hält, wie klimatische Änderungen und menschliche Eingriffe in diese Wasserlandschaft entscheidend dazu beitrugen, dass jene Zivilisation aus der Geschichte verschwand.
Schon seit vielen Generationen wandern die Beduinen in der Wüste Omans mit ihren Familien und Kamelen von einer Quelle zur nächsten. An einigen Stellen ist die Wassermenge so gering, dass die Nomaden Tücher aufhängen müssen, um die nächtliche Feuchtigkeit aufzufangen. Die Beduinen setzen Regen mit Leben gleich, und deshalb lautet eine der Standardfragen in den langen Begrüßungsritualen: Hast du Leben (also: Regen) in deinem Gebiet? Nichts deutet darauf hin, dass ich mich in einem der trockensten Länder der Erde befinde, als ich während eines stundenlang andauernden Wolkenbruchs – bei dem der Regen in solchen Mengen und mit derartiger Intensität herabstürzt, wie ich es kaum zuvor erlebt habe – die Hauptstadt Maskat erreiche. Dabei erscheint es geradezu surreal, einen Arbeiter zu beobachten, der den Rasen neben der Straße auch dann noch gießt, als das Wasser bereits einen halben Meter auf der Fahrbahn steht. Der Wolkenbruch durchkreuzt meine Pläne, denn ich werde davor gewarnt, bestimmte Orte in der Wüste aufzusuchen, weil ich dort Gefahr laufen könne zu ertrinken!
Vor einigen Jahren wurden acht englische Touristen von Wasser und Erdmassen begraben. Offenbar war das Ganze so schnell passiert, dass sie kaum Zeit hatten, sich zu retten. Sie waren in eines der Wadis hinausgefahren – Flusstäler, die nur wenig Wasser auf dem Grund führen und daher beliebte Ausflugsziele sind. Gern nehmen die Menschen eine Decke, Speisen und Getränke mit, um dort ein kleines Picknick zu veranstalten. Als ich ein paar Tage später mit Hussein vom Wasserdezernat in seinem Geländewagen sitze und wir einen dieser Flüsse durchqueren, erzählt er mir, dass er einmal an einem Wochenende seine Familie in so ein Wadi mitgenommen hat. Es war am Nachmittag bei schönem Wetter, und das Farbenspiel der Sonne hob die scharfen Konturen der Berge hervor. Plötzlich hörte er einen gewaltigen Lärm, der inmitten des Tales aus einiger Entfernung zu ihm drang. Er wusste sofort, dass sich eine Flut näherte, warf sich mit Frau, Kindern und einem Teil der Picknickausrüstung in den Wagen, trat das Gaspedal durch und drückte auf die Hupe, um die anderen Menschen im Tal zu warnen. Sie erreichtendie Hauptstraße und schafften es gerade noch, nach links abzubiegen, bevor die Flut kam, eine massive
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