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Wasser

Wasser

Titel: Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terje Tvedt
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fördern, was Kohle und Öl einmal ersetzen und die Zukunft der Welt bestimmen soll: heißes Wasser und Erdwärme. Nur wenige Länder haben es so wie Island verstanden, die besondere Fähigkeit des Wassers – nämlich Wärme zu speichern und zu transportieren – zu ihrem Vorteil auszunutzen, wobei es hauptsächlich um Wärme geht, die sich unter der Erdoberfläche verbirgt. Über diese unter uns liegende Welt weiß die Wissenschaft noch immer erstaunlich wenig. Doch eines ist unbestritten: Dort unten gibt es ein gigantisches Wärmereservoir.
    Abgesehen von der regelmäßig aufsteigenden, beeindruckenden Kraft der Geysire, dem surrealistisch anmutenden Thermalbad Blaue Lagune auf der Reykjanes-Halbinsel sowie dem Nationalpark Thingvellir ist Nesjavellir der für mich interessanteste Ort in Island. Allerdings liegt das nicht unbedingt daran, dass sich hier die größte geothermische Anlage der Welt befindet – ganz abgesehen davon, dass die Architektur des Gebäudes bescheiden ist, das dazugehörende Museum uninteressant und das Gästehaus so riecht, als sei es mit faulen Eiern imprägniert worden. Der Standort der Anlage hingegen ist geradezu perfekt, denn er verdeutlicht die Besonderheiten einer hochindustriellen Kulturlandschaft eindrücklich. Dielärmende Anlage, eingehüllt in Qualm und stickigen Schwefelgeruch, wirkt an ihrem einsamen Standort wie die Manifestation einer rohen Urkraft. Ein Inferno mit vulkanischem Gebirge im Rücken und Aussicht auf Islands größten Binnensee. Besonders spektakulär ist der Anblick bei Sonnenuntergang oder ganz früh am Morgen, wenn Licht und Temperaturunterschiede die brodelnden Flüsse so wirken lassen, als lösten sie sich in ihrem eigenen Dunst auf.
    Und hier zapfen die Isländer eine der rohesten Naturkräfte an. Über zweihundert Löcher wurden bis zu 2000 Meter tief in die Erde getrieben, um dahin zu gelangen, wo das Wasser als Dampf eine Temperatur von 300 Grad hat. Seit Urzeiten grub sich Regen durch Felsspalten in die Tiefe, traf auf warmes, vulkanisches Gestein und wurde aufgeheizt, um sich dann als Wasserdampf an die Oberfläche zu bewegen. Diese kohlenstofffreie Energie betreibt Turbinen, generiert Elektrizität und stellt gleichzeitig Wärme zur Verfügung, mit der die Häuser und Cafés in Reykjavik beheizt werden.
    Vor der Küste Islands stehen zahlreiche Bohrinseln und graben nach dieser ungenutzten und erneuerbaren Energiequelle, und auf dem Festland finden sich über 280 geothermische Gebiete mit heißen, brodelnden Quellen.
    »Ja, das ist völlig richtig. Die Energiemenge, die in diesen Feldern liegt, beträgt zehn Milliarden Gigawattstunden oder umgerechnet drei Millionen Mal so viel wie der isländische Bedarf an elektrischer Energie.« Der Leiter eines dieser großen Energiegewinnungsprojekte bestätigt, was ich gelesen habe, während wir in seinem Geländewagen durch eine Landschaft fahren, in der nahezu überall weißer Dampf der schwarzen Erde entsteigt.
    »Und wie sehen die Pläne aus?«, frage ich, nachdem mich der Ingenieur mit allen technischen Details zu Größe und Kapazität der Bohrtürme vertraut gemacht hat. Wir steigen eine glitschige Leiter hinauf und spüren den feuchten, kalten Wind, der direkt vom Atlantik hereinbläst und den Männern, die nach kochend heißem Wasser unter der Erdkruste graben, die Arbeit nicht eben erleichtert.
    »Wir können energieintensive Industrien mit kohlenstofffreier und nachhaltiger Energie versorgen. Wir hoffen, dass Island ein attraktiver Standort wird. Und darüber hinaus können wir die Erdenergie auch verkaufen«, erwidert er, während wir uns durchnässt und durchgefroren wieder in seinen Wagen zurückziehen.
    Island gehört zu den wenigen Ländern, die in großem Umfang begonnen haben, Erdwärme als Energie- und Heizquelle zu nutzen. Mit jedem Kilometer, den man tiefer in das Erdreich vordringt, steigt die Temperatur um 20 bis 40 Grad. Das Besondere an Island ist, dass die Wärme in der Tiefe sogar schneller zunimmt – denn die Temperatur erhöht sich hier pro Kilometer um 47 bis 86 Grad. Überall auf der Welt hält das Innere der Erde unerschöpfliche Wärmequellen für uns bereit – Quellen, die zu nutzen wir gerade erst begonnen haben.
    Wieder einmal steht das Wasser im Dienst der Menschheit – doch ganz anders als zu dem Zeitpunkt, da die Beherrschung des Wassers die Grundlage für das Entstehen der Zivilisationen schuf. Vor über 2000 Jahren wurde die von Mensch und Tier generierte Muskelkraft

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