Wasser
durch Wasserkraft abgelöst. Ebenso spielte Wasserkraft die entscheidende Rolle bei der industriellen Revolution vor 250 Jahren, indem sie zunächst Wasserräder und später Dampfmaschinen antrieb, bevor sie von Energie aus Öl und fossilen Brennstoffen weitgehend abgelöst wurde. Wasser kann somit heute, indem es auf andere Art genutzt wird, einer Entwicklung entgegenwirken, welche die Entwicklung selbst bedroht.
Als das Flugzeug die »geheimnisvolle Insel« verlässt und ich Reykjavik und diese Bucht unter mir sehe, aus der der Dampf auch schon vor mehr als tausend Jahren, bei Ankunft der ersten Wikinger in die Luft entwich, zweifle ich nicht mehr: Ein bedingter Technologieoptimismus ist wohl der einzige Optimismus, der anhalten wird. Aber am Ende dieser Reise bin ich auch mehr denn je davon überzeugt, dass er nicht genügt.
Epilog: Die Macht des Wassers
»Das Flußwasser, das du berührst, ist das letzte von dem, das weggeflossen ist, und das erste von dem, das heranfließt. So ist die Gegenwart.«
(Leonardo da Vinci, 1490) 90
Ein Besuch im hinduistischen Tempelkomplex von Angkor Wat ist, unabhängig von der Jahreszeit, immer ein fantastisches Erlebnis, doch gerade jetzt befinde ich mich hier während des Neujahrsfestes, Mitte April. Wie an vielen anderen Orten am Mekong ist dies der Zeitpunkt, an dem die Menschen einander traditionell mit Wasser übergießen. Gern stehen Kinder und Jugendliche mit gefüllten Wassereimern halb versteckt oder ganz offen auf den übervollen Straßen und warten auf passende »Opfer«: drei Mädchen auf einem Motorroller, ein Paar auf einem Fahrrad oder – besser noch – eine festlich gekleidete Menschengruppe auf einem Pick-up oder der offenen Ladefläche eines Lastwagens. So viele Passanten sollen so nass wie möglich gemacht werden, aber gerade die Familien auf den Lastwagen haben sich mit eigenen Wassereimern ausgestattet und gehen damit gern zum Gegenangriff über. Was sich hier abspielt, ist die moderne Variante einer alten buddhistischen Tradition, die sich von Burma und Thailand bis nach Kambodscha verbreitet hat. Sie beruht darauf, dass Buddha am ersten Tag des Neujahrsfestes vom Himmel herniedergestiegen sein soll und sich am dritten Tag wieder dorthin zurückgezogen habe. Daher war es wichtig, alle Sündenwegzuwaschen. In den Palästen goss man sich gegenseitig Wasser aus Silberbechern über den Rücken, während die Menschen draußen auf der Straße – so wie jetzt – mit gefüllten Wassereimern agierten. Wir müssen in diesem Durcheinander auf unsere Kameras und Mikrofone achten – schließlich gehen wir unserer Arbeit nach –, aber es ist schwierig, sich nicht von dieser verspielten und unbekümmerten Stimmung anstecken zu lassen, die in starkem Kontrast zum historischen Schicksal der Region steht.
Die Angkor-Zivilisation entwickelte sich durch künstliche Bewässerung und Handel, und der Mekong war Voraussetzung für beides. Vom 9. bis zum 15. Jahrhundert war Angkor die Hauptstadt des Khmer-Imperiums. Hier war das königliche Zentrum eines Reiches, das sich von der äußersten Spitze der indochinesischen Halbinsel bis nach Yunnan in China und von Vietnam in westlicher Richtung bis zum Golf von Bengalen erstreckte. Angkor stammt von dem Sanskrit-Wort
nagara
ab und bedeutet »Stadt«. Zwischen dem 12. und 13. Jahrhundert wohnten schätzungsweise bis zu eine Million Menschen in einer relativ kleinen städtischen Region. Zu Ehren der Götter und als Zeichen ihrer Macht erbauten die Könige einen riesigen Tempelkomplex, der noch heute zu den schönsten und größten auf der ganzen Welt gehört. Die Pagode wurde von vielen als das Juwel Indochinas bezeichnet, und die ungefähr einhundert Tempel gelten als das steinerne Herz der Khmer. Umgeben war die Stadt von einem zu jener Zeit wohl durchdachtesten System zur künstlichen Bewässerung. Die ersten überlieferten Quellen, die von dessen Bau berichten, stammen vom Ende des 9. Jahrhunderts. In einer Region, in der aufgrund der natürlichen Bedingungen nicht mehr als eine Ernte pro Jahr möglich war, schafften es die Khmer mithilfe künstlicher Bewässerung, drei bis vier Mal pro Jahr Reis zu ernten.
Im Jahr 1296 besuchte Zhou Daguan, ein Emissär des chinesischen Kaisers, die Stadt Angkor, nachdem er den Mekong hinaufgefahren war und Tonle Sap, den Großen See, überquert hatte, einen überaus fischreichen Binnensee, an dem die Menschen in dicht aneinandergedrängten Pfahlbauten lebten. Zhou
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