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Wasser

Wasser

Titel: Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terje Tvedt
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Erde. Er führt mehr Wasser als die acht größten Flüsse der Welt nach ihm zusammen. Dort, wo er am mächtigsten ist, leitet er 300 000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde ins Meer – umgerechnet sind dies mehr als 20 Prozent allen Süßwassers,das jährlich in die Weltmeere fließt. An seiner Mündung ähnelt er selbst einem Meer und illustriert dort ein einflussreiches physikalisches Gesetz: Über Generationen hinweg überredeten Seeleute unerfahrene Matrosen, einen Eimer ins Meer hinunterzulassen, ihn dann wieder an Bord zu hieven und daraus zu trinken – was bei den Uneingeweihten stets dieselbe Überaschung hervorrief. Denn sogar weit draußen auf dem Meer kann man aus diesem Süßwasser schöpfen, ohne einen einzigen Streifen Land am Horizont zu sehen.
    Der Kampf um die Kontrolle des Wassers wird sich allerdings auch unter dem Meer abspielen, unter dem heute 500 Süßwasserreservoire bekannt sind. Die Untersuchungen darüber, was und wie viel sich dort befindet, haben jedoch gerade erst begonnen. 88 Schon lange wissen Menschen, dass sich unter dem Meer Trinkwasser befindet. Vor ungefähr zweitausend Jahren berichtete der römische Geograf Strabon von den Einwohnern einer Stadt in Syrien. Sie fuhren aufs Meer hinaus, ließen ein Rohr aus gebranntem Ton hinunter, und in ihm stieg Süßwasser auf, weil es leichter als Salzwasser war.
    Einige dieser Wasserreservoire unter dem Meer werden sich als gigantisch erweisen. Doch niemandem ist klar, wo sich diese Reichtümer verbergen. Deshalb können wir auch nicht voraussagen, wie sie sich auf Machtverhältnisse und ökonomische Entwicklung auswirken werden. Der Wettlauf um das Aufspüren dieser Schätze und der Kampf um deren Beherrschung haben gerade erst begonnen.

Eine »geheimnisvolle Insel« im Zeitalter des Wassers
    Mitunter gibt es prophetisch veranlagte Autoren, zu denen wohl auch Jules Verne gerechnet werden muss. 1874/75 schrieb er den Klassiker
Die geheimnisvolle Insel
, in dem es um eine Gesellschaft und eine Ökonomie geht, die auf Wasser basieren. »›Ohne Kohlen gäbe es keine Maschinen mehr, ohne die keine Eisenbahnen; keine Dampfschiffe, keine Werkstätten, überhaupt nichts mehr, was der moderne Culturfortschritt verlangt.‹ ›Doch was könnte man wohl finden?‹ fragte Pencroff, ›haben Sie darüber eine Ansicht, Mr. Cyrus?‹ ›Eine oberflächliche, ja, mein Freund.‹ ›Nun, was wird an Stelle der Kohle als Treibstoff dienen?‹ ›Das Wasser‹, antwortete Cyrus Smith. ›Das Wasser!‹ rief Pencroff erstaunt; ›das Wasser, um Dampfschiffe und Locomotiven zu treiben, Wasser, um damit Wasser zu erhitzen?‹ ›Ja wohl, doch das in seine Elementarbestandteile zerlegte Wasser‹, belehrte ihn Cyrus Smith. […] ›Das Wasser ist die Kohle der Zukunft.‹ ›Das möchte ich mit erleben‹, sagte der Seemann.« 89
    Ein Land, das gerade dabei ist, den im Roman prognostizierten Science-Fiction-Staat zu verwirklichen, ist Island. Als einziges Parlament der Welt hat der Alltinget beschlossen, das Zeitalter der fossilen Energie hinter sich zu lassen und in das Wasserzeitalter einzutreten.
    Im Vergleich zu anderen Hauptstädten ähnelt Reykjavik am ehesten einem Fischerdorf, aber die Isländer sind ein überaus modernes Volk, dessen Land im Schnittpunkt zweier kultureller Einflussbereiche liegt – zwischen den USA und Europa. Island befindet sich übrigens auch zwischen zwei tektonischen Platten, was dazu führt, dass es jedes Jahr ein paar Zentimeter größer wird. Der Beschluss, als erstes Land der Welt das Zeitalter der fossilen Energie zu verlassen, ist – wie immer man es betrachten mag – ein geschickter Schachzug für die Entwicklung der »Marke« Island. In einer Zeit, in der die Angst vor Klimaerwärmung zu einem Teil derkollektiven globalen Psychologie geworden ist, umgibt sich Island mit einer Aura von Modernität und zugleich Verantwortungsbewusstsein. Darüber hinaus gehört es zu den ersten, wenn es darum geht, die Technologien der Zukunft auszuprobieren. Hier, in der öden vulkanischen Felslandschaft, gibt es den ersten Linienbus der Weltgeschichte, der mit Wassertechnologie angetrieben wird. Und ich bin vor allem hierher gekommen, um mit diesem Bus zu fahren.
    Historisch bedeutsame Veränderungen erscheinen in der Gegenwart mitunter trivial und sind deshalb oft schwer zu entdecken oder gar zu würdigen. So verhält es sich definitiv auch mit diesem »Wasserbus«: Er sieht völlig normal aus, ist gelb gespritzt, und abgesehen von dem

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