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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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mußte ihm, als seine Studien einmal so weit fortgeschritten waren, klar werden: nicht sein ›Tun als solches‹ wurde von der ›Öffentlichen Meinung‹ verurteilt, sondern erst die Wirkungen seiner Schöpfung! Von dieser schizophrenen Einstellung der Menschheit gegenüber den Wissenschaftlern und Wissenschaften profitierten – verzeihen Sie den kleinen Exkurs – auch noch die sogenannten Experten des vorigen Jahrhunderts, des, wie wir es heute nennen, medial verdunkelten 20. Jahrhunderts: Zwar wußte alle vernünftige Welt, daß Atombomben nicht zum Zeitvertreib einiger schrulliger alter Herren gebastelt würden – Empörung rief dieses ›Tun als solches‹ nicht hervor. Und in bezug auf Atomkraftwerke: die Menschheit ließ es sich gefallen, von einer kleinen Minderheit, allerdings der Spitze, den Politikern und die E-Wirtschaftslobbies belogen und betrogen zu werden – hier muß ich an die eingangs erwähnte Diskrepanz zwischen Demokratie und dem erinnern, was dafür ausgegeben werden konnte! –, erst als es zu spät war, mußten die ›Träger der Verantwortung‹ zugeben, sich geirrt zu haben. Selbstverständlich passierte ihnen nichts, selbstverständlich blieben sie in ihren hochdotierten Ämtern – denn selbstverständlich hatte ihr Zugriff auf die Informationsmedien nie unter einer von ihnen heraufbeschworenen Katastrophe gelitten.
    Ähnlich also – wie gesagt – verhielt es sich bei Frankenstein: Erst als die Wirkung seiner Schöpfung offenkundig ward, kam es zum Auftreten der irrationalen Elemente, erst Angst, der Zwang zur Vergeltung, Unmut & Groll konnten ›das Volk‹ sich so vergessen lassen, daß es hinter dem ›Monster‹, wie es genannt wurde, herlief, um es zu vernichten. Hier sehen wir wieder eine Parallele zum schon angezogenen Grafen Dracula, einem, wie Sie in einer Woche erfahren werden, geradezu klassischen Fall von Medienjustiz, der, weil man es eben nicht besser wußte, nach einigen letalen Folgen seines Wirkens, ebenfalls taxfrei zum ›Monster‹ erklärt wurde! Frankensteins Geschöpf also wurde, obwohl ganz zweifelsfrei ›Eigentum‹ des adeligen und damit unantastbaren, gleichsam gottgegebenen Herrn der Kommune, zum Anlaß einer Volkserhebung, einer militanten Bürgerbewegung.
    › Volk‹ erhob sich zu seiner Zerstörung – eine bis dahin nie gesehene, unerhörte, nie auch nur geahnte Mißachtung bisheriger gesellschaftstheoretischer …« – D’Ummél wies auf das entsprechende Insert auf seiner Elektronikwand – »Gegebenheiten.
    Es kann …« – er unterstrich das zweite Insert –, »zieht man diesen Stand der Überlegungen und das persönliche Erfahren Dr. Frankensteins in Betracht, in diesem Stadium seiner Studien nicht wundernehmen, daß er sich, mit diesen Erkenntnissen konfrontiert, nun der zweiten möglichen Betrachtungsweise zuwandte – Sie haben es hier, als Punkt b), der …
    b) sozialpsychologischen Sicht
    seines Problems.
    Zu dieser b) sozialpsychologischen Sicht stellte der Wissenschaftler, den man immer mehr als einen besonders gründlich, klar und logisch denkenden Mann kennenlernt, erstens fest, daß man aus ihr die ›Öffentliche Meinung‹ in Spezialgebilden jeder Größe und Struktur beobachten kann.
    Frankenstein erkannte sonnenklar: Wenn Menschen zusammenleben, bilden sich Normen und Wertvorstellungen heraus. Die Mitglieder dieses Kollektivs haben sich dann diesen Normen und Wertvorstellungen zu beugen, sich dazu zu bekennen – eine Vision, die dem Genie schrecklich sein mußte. Man stelle sich …« – D’Ummél gestattete sich ein kleines Lächeln – »vor, Frankenstein hätte sich an der geistigen Enge der Köpfe der Bürger seiner Kommune orientieren müssen – nicht zuletzt wäre der Wissenschaft die kommunikationswissenschaftliche Untersuchung, die ich heute und hier vortrage, verloren gegangen!
    Ein bedeutender Autor des vorigen Jahrhunderts, Curt Siodmak, hat die Problematik in seiner programmatischen Arbeit ›Ich, Gabriel‹ klar gefaßt: ›Du bist ein zu bedeutender Wissenschaftler‹ wird da einem zu bedeutenden Wissenschaftler eingebleut, ›um durch ein Gesetz zerstört zu werden, das nicht in Betracht zieht, daß Männer wie du notwendigerweise außerhalb unserer Ethik stehen!‹ – Ein bedeutendes Bekenntnis zur Größe! Und auch der bedeutende Wissenschaftler ist sich bewußt – ich zitiere wieder wörtlich -: ›Eines Tages wird meine Arbeit zum Guten oder zum Bösen verwendet werden, wie ich vorausgesehen hatte.

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