Wassermans Roboter
Gegengeschäfte, durch Begünstigungen und Freundschaften, durch gemeinsame Mitgliedschaft in sogenannten ›nichtpolitischen‹ Verbänden – Freimaurer zum Beispiel –, daß sich diese Gruppe also derer bemächtigte, die in den ›Medien‹ das Sagen hatten.
Mit dem Zugriff auf die Medien erfuhr nun das Volk nur noch das, was dieser Gruppe genehm war. Selbstverständlich wurde dieses Verfahren zwischen zwei Wahlgängen etwas lockerer gehandhabt, desto straffer wurden die Zügel unmittelbar vor den ›Wahlen‹ angezogen. Nun drang nur noch das aus den oben erwähnten ›Kästen‹ in den Wohnungen der Menschen, was die ebenfalls schon erwähnte ›Mehrheit‹ nicht gefährden konnte.
Selbstverständlich bestanden diese ›Wahlen‹ nicht etwa in der Möglichkeit, zu wählen, was man wollte – nein! Es durfte nur das gewählt werden, was diejenigen, die gewählt werden wollten, gleichsam als Wahlmöglichkeiten präsentierten.
A wollte gewählt werden, B wollte gewählt werden und – nehmen wir an – C. Nun gab es für das ›Wahlvolk‹ nur diese drei Möglichkeiten, mochte das ›Wahlvolk‹ auch alle drei verabscheuen – es gab keine andere Möglichkeit – also wurden immer und immer wieder A, B und C gewählt. Sollte sich einmal ein Kandidat D gegen den Willen von A, B und C bewerben, traten die Kontakte zu den Medien in Kraft: das Wahlvolk erfuhr nur unzureichend über geheimnisvolle, verschlungene Wege von der Existenz dieses Kandidaten D – selbstverständlich reichte es dann am Wahltag für diesen Kandidaten nicht.
Das Klima nun, das via Medien – es ist leicht vorstellbar – für A, B und C geschaffen werden konnte, war Bestandteil der ›Öffentlichen Meinung‹.
Dem ›Wahlvolk‹ ward eingehämmert, das beschriebene System sei ›demokratisch‹ – so lange, bis im Bewußtsein der ›Öffentlichen Meinung‹ tatsächlich der entsprechende Glaube vorherrschte. Es ist klar, daß dieses betrügerische System nicht ewig funktionieren konnte« – die Studenten hingen mit bangen Ohren an den Lippen des Vortragenden: Zeiten mußten das gewesen sein! – »die ›Öffentliche Meinung‹ konnte kontrollieren, wer die Medien kontrollierte. Macht und Recht gingen also nicht – wie es damals in den Verfassungen vorgesehen war – vom ›Volke‹ aus, sondern von den Nachrichten-Redaktionen. Nach dieser kurzen Einführung kann ich jetzt zum Thema kommen, nämlich den ›Gesellschaftlichen Strukturbedingungen dieser Öffentlichen Meinung‹.
Als es dem Sohn des angesehenen und beliebten Barons Frankenstein, dem jungen, aufstrebenden Wissenschaftler Dr. Viktor Frankenstein, gelungen war, aus Leichenteilen einen lebensfähigen Menschen zu schaffen – Sie kennen ja diesen Aspekt der Geschichte Frankensteins aus den medizinischen Vorlesungen« – D’Ummél sah kurz ins aufmerksame Auditorium, zumindest die Mehrzahl der Studenten nickte wissend –, »als ihm dies also gelungen war, hatte er natürlich einen wissenschaftlichen Sieg exorbitanter Größe errungen, einen Sieg allerdings, der nur von kurzer Dauer sein konnte, der das Scheitern – leider – in sich barg:
Das Genie ist – und war natürlich auch damals – wie der Künstler seiner Zeit zu weit voraus. Die Mehrheit war aus verschiedensten Gründen nicht bereit oder befähigt, dem hohen Flug der Gedanken, der großartigen Einzigartigkeit der Taten zu folgen – und das war damals, wie ich schon erläutert habe, sehr, sehr wichtig. Die ›Medien‹ im angenommenen Sinn gab es zu Frankensteins Zeiten noch nicht, auf den Griff in die Gehirne der Menschen hatte die Kirche das Monopol. Frankenstein stand also an der Schwelle zu absolutem Neuland, mußte völlig neue, eigene Wege beschreiten, als er als Einzelner, auch als Künstler, vor allem aber als Genie in Widerspruch mit dem geriet, was Soziologen und Sozialwissenschaftler als ›Öffentliche Meinung‹ zu bezeichnen sich angewöhnen sollten.
Frankenstein, der begnadete Vorwärtsdrängende, war sich über diese ständig weiter und noch weiter auseinanderklaffende Schere zwischen seinen Werken und Vorstellungen und den der Scholle und dem Kreuz verhafteten, rückständigen Denkmodellen seiner meist bäuerlichen, doch auch schon bürgerlich angesäuerten Umwelt natürlich im klaren.
Er wollte seine Arbeit um alles in der Welt retten, fortsetzen – er war daher gleichsam gezwungen, sich intensiv mit kommunikationswissenschaftlichen Fragen – der Terminus war ihm natürlich noch nicht
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