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Waugh, Evelyn

Waugh, Evelyn

Titel: Waugh, Evelyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ausflug ins wirkliche Leben
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Gliedmaßen und einem Gesicht, das bei den dürftigsten Artigkeiten vor Vergnügen aufleuchtete und dem man das Interesse an den Meinungen und Erfahrungen aller, die sie kennenlernte, unbedingt abnahm. Man vertraute ihr spontan, denn sie war eine, die sich nicht in den Mittelpunkt drängte, sondern sich ihren Bekannten lieber einzeln und mit Muße zuwandte, wenn sie es brauchten; respektvoll und charmant zu den verheirateten Frauen; sensibel, freundlich und ein klein wenig kokett zu den Männern; immer zu einem Spiel aufgelegt, aber nicht so gut, dass sie die männliche Überlegenheit erschüttert hätte; treutöchterlich auf jedes Vergnügen verzichtend, das den reibungslosen Ablauf im Brooks’schen Haushalt hätte beeinträchtigen können – »Nein, ich muss jetzt wirklich gehen. Es geht nicht, dass Vater vom Club nach Hause kommt, und ich bin nicht da, um ihn zu begrüßen« –, mit anderen Worten, genau die Art Mädchen, die in jedem Außenposten des Empire ein Segen und eine Zierde wäre. Es dauerte nur sehr wenige Tage, bis ganz Matodi von dem Glück schwärmte, sie dazuhaben.
    Natürlich musste sie zuallererst von den Matronen der Kolonie überprüft und unterwiesen werden, aber sie ließ sich ihre Initiation mit einer [63] solchen Grazie gefallen, dass man meinen konnte, sie sei sich der Gefahren der Prozedur gar nicht bewusst. Mrs. Lepperidge und Mrs. Bretherton nahmen sie sich vor. Im fernen Landesinneren, an den sonnenlosen geheimen Stätten, wo ein verwachsener Stamm über dem Urwaldpfad, ein an einem Ast flatternder Stofffetzen, ein geköpftes Huhn mit ausgebreiteten Flügeln vor einem alten Baumstumpf den Taburaum markierten, zu dem kein männliches Wesen Zutritt hatte, dort sangen die Sakuya-Frauen ihre archaische Initiationslitanei; hier am sonnigen Hang wurde die nicht minder schreckliche Zeremonie an Mrs. Lepperidges Teetisch abgehalten. Zuerst die Fragen; bei Tee und Rosinenbrötchen noch verblümt und taktvoll gestellt, dann aber, nach dem Abräumen von Kuchenteller und Teekessel, im kultischen Rhythmus sich überstürzend und immer schneller und schneller niederprasselnd wie ekstatische Hände auf die straffe Kuhhaut, ein dringendes und zwingendes Trommelfeuer, das sich mit der ersten Zigarette noch einmal steigerte. Sie alle beantwortete Prunella fügsam und schlicht. Ihr ganzes Leben, ihre Erziehung und Schulbildung wurden bloßgelegt, geprüft und für vorbildlich erachtet; der Tod ihrer Mutter, die Obhut bei einer Tante, eine Nonnenschule außerhalb der [64] Stadt, die ihr einnehmende Manieren beigebracht hatte, die Bereitschaft, den richtigen Mann zu finden und mit ihm einen Hausstand zu gründen, wann immer der Dienst es verlangte; ihr Bekenntnis zu einer kleinen Familie und europäischer Erziehung, zu sportlicher Betätigung, Freundlichkeit zu Tieren, liebevoller Bemutterung der Männer.
    Als sie sich schließlich würdig erwiesen hatte, kam die Unterweisung. Intime gesundheitliche und hygienische Details, Dinge, die jede junge Frau wissen sollte, die allgemeinen Gefahren des Geschlechtsverkehrs und seine besonderen Gefahren in den Tropen betreffend; die korrekte Behandlung der anderen Einwohner Matodis, das korrekte Benehmen gegenüber Damen von höherem Rang, das Hinterlassen von Karten… »Geben Sie niemals Eingeborenen die Hand, auch wenn die sich noch so viel auf ihre akademische Bildung einbilden. Araber sind etwas anderes, viele geradezu Gentlemen… gewiss nicht schlimmer als sehr viele Italiener… Inder müssen Sie zum Glück nicht kennenlernen… lassen Sie sich niemals vor eingeborenen Dienern im Morgenrock sehen… und achten Sie ganz genau auf die Vorhänge im Bad – die Eingeborenen spannen … gehen Sie niemals allein durch die Seitenstraßen – [65] da haben Sie sowieso nichts zu suchen… reiten Sie niemals allein außerhalb der Siedlung aus. Es hat mehrmals Banditenüberfälle gegeben… erst voriges Jahr ein amerikanischer Missionar, aber von irgendeiner Freikirche… Wir sind es unseren Männern schuldig, keine unnötigen Risiken einzugehen… eine Räuberbande unter dem Befehl eines Sakuya namens Joab… der Major wird ihm bald das Handwerk legen, wenn er die Eingeborenentruppe erst mal auf Vordermann gebracht hat… im Moment finden sie die Stiefel noch sehr unbequem* [* Siehe Schwarzes Unheil ]… einstweilen sollten Sie es sich zur festen Regel machen, nirgends ohne einen Mann hinzugehen…«
    III
    Und Prunella hatte nie Mangel an männlicher Begleitung. Nach

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