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Waugh, Evelyn

Waugh, Evelyn

Titel: Waugh, Evelyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ausflug ins wirkliche Leben
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Major«, von den Zivilisten. »Guten Abend, Sir«, von den Offizieren.
    »’n Abend. ’n Abend. ’n Abend. Puh. Hatte grade eine sehr dynamische Runde Rasentennis mit dem jungen Kentish. Mordsaufschlag. Gin mit Limette. Übrigens, Bretherton, der Kricketplatz sieht ziemlich übel aus.«
    »Ich weiß. Kein Unterboden.«
    »So was, das ist ja eine dumme Geschichte. Kein Unterboden. Na, lassen Sie sich was einfallen, wäre wirklich verdienstvoll. Sieht schrecklich aus. Ganz kahl und ein großer See in der Mitte.«
    Der Major nahm seinen Gin mit Limette und schritt auf einen Sessel zu; plötzlich erblickte er Mr. Brooks, und sein herrisches Gebaren milderte sich zu ungewohnter Liebenswürdigkeit. »Ja, hallo, Brooks«, sagte er. »Wie geht’s Ihnen? Schön, dass Sie wieder da sind. Hatte gerade das Vergnügen, Ihre Tochter im Tennisclub zu sehen. Meine Gattin lässt fragen, ob Sie beide Lust hätten, einen Abend zu uns zum Essen zu kommen. Wie wär’s mit Donnerstag? Großartig. Da wird sie sich freuen. Gute Nacht allerseits. Muss dringend unter die Dusche.«
    Der Vorfall war eine Sensation. Bretherton und Reppington sahen sich mit schockierter Verwunderung an.
    [59] Major Lepperidge war nach Rang und Persönlichkeit der tonangebende Mann in Matodi – ja in ganz Azania, mit der einzigen Ausnahme des Chief Commissioner in Debra Dowa. Es war unvorstellbar, dass Brooks bei Lepperidge speiste. Bretherton selbst hatte dort nur einmal gespeist, und er war vom Staat.
    »Hallo, Brooks«, sagte Reppington. »Hab Sie gar nicht erkannt hinter Ihrer Zeitung. Kommen Sie doch auf einen Schluck zu uns.«
    »Ja, Brooks«, sagte Bretherton. »Wusste gar nicht, dass Sie wieder da sind. Schönen Urlaub gehabt? Was im Theater gesehen?«
    »Sehr freundlich von Ihnen, aber ich muss los. Wir sind am Dienstag mit der Ngoma gekommen. Nein, im Theater bin ich gar nicht gewesen. Ich war die meiste Zeit in Bournemouth, wissen Sie.«
    »Nur einen, bevor Sie gehen.«
    »Nein, wirklich, danke, ich muss nach Hause. Meine Tochter wird warten. Trotzdem vielen Dank. Wir sehen uns ein andermal.«
    Tochter…?
    [60] II
    Es gab acht Engländerinnen in Matodi, Mrs. Brethertons zweijährige Tochter mitgerechnet; neun, wenn man Mrs. Macdonald dazuzählte (aber niemand zählte Mrs. Macdonald dazu, die aus Bombay kam und Anzeichen asiatischen Blutes verriet. Zudem wusste niemand, wer Mr. Macdonald gewesen war. Mrs. Macdonald führte eine schlechtgehende Pension am Stadtrand, die sich »The Bougainvillea« nannte). Die im heiratsfähigen Alter waren alle verheiratet; die gegenseitige Überwachung, unter der sie lebten, war so scharf und lückenlos, dass an Seitensprünge nicht zu denken war. Es gab allerdings sieben unverheiratete Engländer, drei im Staatsdienst, drei in der freien Wirtschaft und einen Müßiggänger, der vor seinen Gläubigern in Kenia nach Matodi geflohen war. (Er sprach manchmal vage von geplanten »Pflanzungen« und »Sondierungen«, bekam aber einstweilen allmonatlich eine kleine Überweisung aus der Heimat und war eine liebenswürdige Präsenz im Club und auf den Tennisplätzen.)
    Die meisten dieser Junggesellen hatten dem Vernehmen nach ein Mädel zu Hause in England; sie hatten Fotografien im Zimmer stehen, [61] schrieben regelmäßig lange Briefe und machten beim Aufbruch in den Heimaturlaub Andeutungen, bei der Rückkehr wären sie womöglich nicht mehr allein. Aber dann waren sie es doch. Vielleicht malten sie ja in voreiligem Werben um Mitgefühl ein zu düsteres Bild vom Leben in Azania; vielleicht waren sie in dem tropischen Klima auch ein bisschen verblödet…
    Auf jeden Fall lief mit der Ankunft von Prunella Brooks eine Welle der Erregung durch die englische Gesellschaft. Als Tochter von Mr. Brooks, dem Vertreter einer Ölfirma, wäre ihre Wahl normalerweise auf die drei aus der freien Wirtschaft beschränkt gewesen – Mr. James von der Eastern Exchange Telegraph Company und die Herren Watson und Jagger von der Bank –, aber Prunella war ein Mädchen von solch augenfälliger persönlicher Klasse, dass sie an ihrem ersten Nachmittag auf dem Tennisplatz, wie oben angedeutet, die unsichtbare Grenze mühelos, ja unwissentlich überschritt und geradewegs in das innerste Heiligtum spazierte, den Bungalow der Lepperidges.
    Sie war klein und ungekünstelt, ein schillernder Blondschopf mit frischer Haut (doppelt berückend im Kontrast zu den braungebrannten und ausgetrockneten Tropenteints um sie herum), [62] gummiartig gelenkigen

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