Waugh, Evelyn
Tagesreise in den feuchten Sachen zitterte und nieste er. Offensichtlich war eine böse Erkältung im Anzug. An einen Marsch von acht Meilen durch die Dunkelheit war gar nicht zu denken. Er verbrachte die Nacht im Wirtshaus.
Bei Anbruch des vierten Tages konnte Tom nicht mehr sprechen und war nahezu taub. In diesem Zustand las ihn der Fahrer auf, um ihn zu dem Haus zu befördern, das ihm so freundlich für seine eine Flitterwoche überlassen worden war. Hier wurde er mit der Nachricht empfangen, dass Angela früh am Morgen abgereist war.
[25] »Mrs. Watch bekam ein Telegramm, Sir, in dem stand, Sie hätten einen Jagdunfall gehabt. Sie war recht ungehalten, da sie mehrere Freunde zum Mittagessen eingeladen hatte.«
»Aber wo ist sie hin?«
»Die Adresse stand auf dem Telegramm, Sir. Es war dieselbe Adresse wie bei Ihrem ersten Telegramm… Nein, Sir, das Telegramm haben wir nicht aufgehoben.«
Angela war also zu seinem Gastgeber in der Nähe von Exeter gefahren; na, sie konnte ganz gut auf sich selbst aufpassen. Tom fühlte sich viel zu elend, um sich Sorgen zu machen. Er ging schnurstracks zu Bett.
Der fünfte Tag ging in apathischem Jammer dahin. Tom lag im Bett und blätterte teilnahmslos in den paar Büchern, die seine Tante in den fünfzig Jahren ihres kernigen Frischluftdaseins zusammengetragen hatte.
Am sechsten Tag meldete sich sein Gewissen. Vielleicht sollte er etwas wegen Angela unternehmen. Daraufhin gab der Butler zu bedenken, der Name in der Innentasche der Reitjacke sei wahrscheinlich der von Toms einstigem und Angelas jetzigem Gastgeber. Nachforschungen im Adressbuch der Gegend klärten die Sache vollends. Er schickte ein Telegramm:
[26] »Geht es dir gut? Erwarte dich hier. Tom«, und erhielt die Antwort:
»Bestens. Dein Freund himmlisch. Komm doch dazu. Angela.«
»Im Bett schwer erkältet. Tom.«
»Tut mir leid Schatz. Sehen uns in London oder soll ich kommen. Lohnt sich kaum oder. Angela.«
»Sehen uns in London. Tom.«
Natürlich kannten Angela und er sich schon sehr lange…
Zwei Tage später trafen sie sich in der kleinen Wohnung, die Mrs. Watch in der Zwischenzeit für sie hergerichtet hatte.
»Ich hoffe, du hast das ganze Gepäck mitgebracht.«
»Ja, Schatz. Wie herrlich, zu Hause zu sein!«
»Morgen wieder ins Büro.«
»Ja, und ich muss hundert Leute anrufen. Ich habe mich noch gar nicht für die letzte Ladung Geschenke bedankt.«
»Hattest du’s gut dort?«
»Nicht schlecht. Was macht deine Erkältung?«
»Ist besser. Was machen wir heute Abend?«
»Ich habe versprochen, Mama zu besuchen. Dann habe ich mich mit deinem Freund aus Devon zum Essen verabredet. Er ist mit mir in die [27] Stadt gekommen, um Viehfutter zu besorgen. Ich dachte, die Höflichkeit verlangt, dass ich ihn einlade, nachdem ich bei ihm zu Gast war.«
»Unbedingt. Aber ich glaube, ich werde nicht mitkommen.«
»Nein, würde ich auch nicht an deiner Stelle. Ich habe ihr lauter Sachen zu erzählen, die dich bloß langweilen würden.«
Nach dem Besuch erklärte Mrs. Trench-Troubridge: »Ich fand, Angela sah heute Abend entzückend aus. Die Flitterwochen haben ihr gutgetan. Sehr vernünftig von Tom, mit ihr keine anstrengende Reise auf den Kontinent zu unternehmen. Man sieht ihr an, dass sie sich gut erholt hat. Dabei sind die Flitterwochen ja oft eine schwierige Zeit, besonders nach der ganzen Hochzeitshektik.«
»Was hat es mit diesem Cottage in Devon auf sich, das sie sich nehmen wollen?«, fragte ihr Gatte.
»Nicht nehmen, Liebling, sie bekommen es umsonst. Nicht weit vom Haus eines ledigen Freundes von Tom entfernt, wie es scheint. Angela meinte, es wäre ideal für sie, wenn sie hin und wieder mal Abwechslung braucht. Sie können ja wegen Toms Arbeit nie richtig Ferien machen.«
[28] »Sehr vernünftig, wirklich sehr vernünftig«, sagte Mr. Trench-Troubridge und sank in einen leichten Schlummer, wie es um neun Uhr abends seine Gewohnheit war.
[29] Ausflug ins wirkliche Leben
I
Der Portier des »Espinoza« kommandiert die wohl klapprigste Taxiflotte von ganz London. Er ist ein imposanter Mann; wer sich auf militärische Ehrenzeichen versteht, kann von seiner Brust eine Geschichte von Heldentum und Abenteuer ablesen: Auf der dreifachen Ordensspange versinken Burenfarmen in Asche, stürmen fanatische Krausköpfe ins Paradies, schauen hochnäsige Mandarine zu, wie ihr Porzellan zerschmettert und ihre feinste Seide zerrissen wird. Sowie er nur die Eingangsstufen des »Espinoza« hinuntergeht,
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