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Waugh, Evelyn

Waugh, Evelyn

Titel: Waugh, Evelyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ausflug ins wirkliche Leben
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steht Ihnen gleich ein Gefährt zu Diensten, das so verrückt ist wie sämtliche Feinde des großen Königreichs zusammen.
    Eine halbe Krone in den weißen Baumwollhandschuh, denn Simon Lent ist zu müde, um nach Wechselgeld zu verlangen. Er und Sylvia kauern sich auf gesprungenen Federn zwischen zugigen Fenstern eng zusammen. Es war ein [30] unbefriedigender Abend gewesen. Sie hatten bis zwei Uhr an ihrem Tisch gesessen, denn heute war langer Abend. Doch Sylvia hatte nichts trinken wollen, weil Simon gesagt hatte, er sei pleite. Sie hatten also fünf oder sechs Stunden nur so dagesessen, mal stumm, mal streitend, und hin und wieder einen lustlosen Gruß mit einem vorüberkommenden Paar getauscht. Simon setzte Sylvia vor ihrer Haustür ab; ein Kuss, linkisch dargeboten und kühl entgegengenommen; dann zurück in die Mansardenwohnung über einer durchgehend geöffneten Werkstatt, wofür Simon sechs Guineen die Woche bezahlte.
    Vor seiner Tür wurde gerade eine Limousine abgespritzt. Er quetschte sich um sie herum und stieg die schmale Treppe hinauf, über die früher einmal Stallknechte vor Sonnenaufgang pfeifend zu den Ställen hinuntergepoltert waren. (Weh den jungen Männern, die da in Marställen wohnen! Weh dem halbentflammten Junggesellen, der da von 800 Pfund im Jahr leben muss!) Auf seinem Nachttisch lag ein kleiner Stapel Briefe, die heute Abend angekommen waren, als er sich gerade umzog. Er zündete seine Gaslampe an und begann, die Briefe zu öffnen. Schneiderrechnung 56 Pfund, Trikotagen 43 Pfund; eine Erinnerung, dass sein Klubbeitrag für dieses Jahr noch nicht [31] bezahlt war; seine Abrechnung vom »Espinoza« mit einem Zusatz, dass die Regeln – monatliche Barzahlung – strikt einzuhalten seien und ihm kein weiterer Kredit gewährt werden könne; die Bank hatte bei einer Prüfung ihrer Bücher festgestellt, dass er mit seinem letzten Scheck sein Konto um 10 Pfund 16 Shilling über das ihm zugestandene Limit hinaus überzogen hatte; das Finanzamt wollte nähere Angaben über seine Beschäftigten und deren Löhne haben (Mrs. Shaw, die ihm für viereinhalb Shilling täglich das Bett machte und den Orangensaft auf den Tisch stellte); kleine Rechnungen für Bücher, Brille, Zigarren, Haarwasser und Sylvias letzte vier Geburtstagsgeschenke. (Weh den Geschäften, die junge Männer, wohnhaft in Marställen, bedienen!)
    Die weitere Post stand dazu in krassem Gegensatz. Eine Verehrerin aus Fresno in Kalifornien schickte ein Kistchen Dörrfeigen; zwei junge Damen schrieben, sie verfassten für die literarischen Gesellschaften ihrer Colleges Abhandlungen über sein Werk, und ob er ihnen bitte ein Foto schicken könne; Zeitungsausschnitte, die ihn als einen »beliebten«, »brillanten«, »kometenhaft erfolgreichen« und »beneidenswerten« jungen Romancier bezeichneten; von einem gelähmten Journalisten die Bitte um ein Darlehen [32] von 200 Pfund; eine Einladung zum Mittagessen von Lady Metroland; sechs Seiten schlüssig formulierter Schmähungen aus einem Irrenhaus im Norden Englands. Denn obschon keiner, der in Simon Lents Herz blicken konnte, die Wahrheit je erahnt hätte, war er auf seine Art und in seinen Grenzen ein recht berühmter junger Mann.
    Der letzte Brief trug eine maschinengeschriebene Adresse, und Simon öffnete ihn mit wenig Hoffnung auf Erfreuliches. Im Briefkopf stand der Name eines Filmstudios in einem Londoner Vorort. Das Schreiben war kurz und geschäftsmäßig:
    Lieber Simon Lent (eine Anredeform, die sich, wie er schon hatte feststellen können, im Schauspielgewerbe einer weiten Verbreitung erfreute),
    haben Sie schon einmal daran gedacht, für den Film zu schreiben? Wir würden Ihre Meinung zu einem Skript wertschätzen, das wir gerade verfilmen. Vielleicht essen Sie morgen im Garrick Club mit mir zu Mittag und sagen mir, was Sie davon halten. Hinterlassen Sie bitte eine Nachricht, entweder bis morgen früh acht Uhr bei meiner Nachtsekretärin oder danach bei meiner Tagsekretärin.
    Herzlich, Ihr
    [33] Darunter standen zwei mit Tinte und Feder geschriebene Wörter, die sich wie Jewee Mecceee lasen, gefolgt von der erhellenden Transskription (Sir James Macrae).
    Simon las den Brief zweimal. Dann rief er bei Sir James Macrae an und teilte der Nachtsekretärin mit, dass er die Mittagsverabredung am nächsten Tag wahrnehmen werde. Er hatte kaum aufgelegt, als das Telefon klingelte.
    »Sir James Macraes Nachtsekretärin am Apparat. Sir James würde sich sehr freuen, wenn Mr. Lent noch heute

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