Weatherly , L.A. - Dämonen des Lichts
einen Wanderer oder Spaziergänger zu treffen.
»Auf Beutefang«, sagte Jake, der sie beobachtete. »Na toll, das kann noch Stunden dauern.«
Ein erwartungsvoller Schauer lief Alex den Rücken hinunter. Er stieß Jake gegen den Arm. »He, denkst du, was ich denke?«
Jake sah ihn an und ächzte. »Oh Mann, du hast dieses dämliche Funkeln in den Augen.«
»Ach, komm schon«, sagte Alex, ohne den Engel in Menschengestalt aus den Augen zu lassen. »Das dauert sonst doch ewig.«
Jake schüttelte den Kopf und fing an zu grinsen. »Wenn Cully jemals davon erfährt …«
»Ich weiß, dann reißt er uns den Kopf ab.« Alex feixte. »Machst du den Lockvogel oder ich?«
»Ich mach schon«, sagte Jake. »Ich weiß doch, wie sehr du es liebst, den Actionhelden zu spielen.«
Alex lachte. »Ja, das weißt du …« Als sein Bruder sich aufrichtete, zog Alex seine Waffe, fischte den Schalldämpfer aus seiner Hosentasche und schraubte ihn auf.
»Alles klar«, sagte Jake und schlug ihm auf die Schulter. »Gibst du mir Rückendeckung, Bruderherz?«
»Mach ich«, erwiderte Alex.
»Cool«, sagte Jake. »Dann los. Den Engel schnappen wir uns.«
Und während Alex die Frau ins Visier nahm, die an der Steinmauer lehnte, stand Jake auf und trabte lässig über die Straße.
Alex erwachte mit einem Ruck. Das Echo seiner eigenen Stimme, die den Namen seines Bruders schrie, hallte ihm noch in den Ohren. Oh Gott, schon wieder dieser Traum. Derselbe elendige Traum. Schwer atmend schluckte er und legte den Unterarm über die Augen.
Er hatte gedacht, er sei darüber hinweg – jene letzten vierundzwanzig Stunden wieder und wieder vor seinem inneren Auge ablaufen zu sehen. Es war jetzt beinahe zwei Jahre her. Warum konnte er nicht einfach hinnehmen, dass Jake nie mehr zurückkommen würde? Dass er für immer weg war und dass das ganz allein seine, Alex’, Schuld war?
Andererseits gab es vielleicht Dinge, mit denen man sich niemals abfinden konnte, ganz egal wie viel Zeit verging.
Er ließ den Arm auf das Kissen hinter seinem Kopf fallen und schlug die Augen auf. Es machte so gut wie keinen Unterschied; im Zimmer war es beinahe stockfinster, nur durch die Vorhänge drang ein hauchdünner Lichtstrahl. Im anderen Bett hörte er Willow leise atmen. Nachdem seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte er unter der Bettdecke, unter der sie sich zusammengerollt hatte, gerade eben die leichte Wölbung ihres Körpers erkennen. Er zögerte lange, während er sie betrachtete – doch dann verlagerte er sein Bewusstsein, ließ es durch seine Chakren nach oben steigen, bis es außerhalb seines Körpers über seinem Scheitel schwebte.
Über Willow erschien der Engel: lebensgroß, strahlend weiß. Wie zuvor war ihr liebliches Gesicht – ein Abbild von Willows – gesenkt und wirkte ruhig und gelassen. Ihre Flügel waren auf dem Rücken gefaltet. Er konnte den glühenden Umriss jeder einzelnen Feder sehen; jede Falte des Gewandes, das von ihren Schultern herabfiel.
Lange lag Alex da und schaute den Engel an. Die heiligenscheinlose Gestalt bewegte sich nicht und auch er lag völlig still. Er musterte ihr wallendes langes Haar, ihre Lippen, ihre nach unten gerichteten Augen, die aussahen, als würde sie lächeln. Und allmählich spürte er, wie der Traum seine Macht über ihn verlor. Während die Bilder von Jake langsam verblassten, beruhigten sich sein Atem und sein Herzschlag.
Als Alex endlich die Augen wieder schloss, war es Willows Gesicht, das er sah … und er wusste, dass er jetzt wieder einschlafen konnte.
10
Raziel lehnte sich in seinem Ledersessel zurück und trommelte ungehalten mit seinen langen Fingern auf der Armlehne herum. »Irgendwelche Neuigkeiten?«
Jonah, der vor dem Schreibtisch auf einem Stuhl hockte, nickte und raschelte mit seinen Papieren. »Ja, ahm … unsere Leute bei der Polizei in New Jersey haben den Porsche angehalten, aber sie waren es nicht. Anscheinend haben sie den Wagen mit den Schlüsseln im Zündschloss irgendwo in New York abgestellt und jemand hat ihn gestohlen.«
Raziel rieb sich den Nasenrücken. »Also wissen wir nicht einmal, was für ein Auto sie momentan fahren. Oder ob sie überhaupt mit dem Auto unterwegs sind.«
»Äh … nein«, sagte Jonah. Seine braunen Augen blinzelten nervös. Raziel klatschte sich mit der flachen Hand auf den Oberschenkel. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass der Halbengel vor vier Tagen aus der Kirche in Schenectady geflohen war – zusammen mit
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