Weatherly , L.A. - Dämonen des Lichts
Kirchenmitglieder sie erst einmal aufgestöbert hätten, würde sie sich von ganzem Herzen wünschen, dass ihr Killer seinen Befehl, sie zu erschießen, befolgt hätte.
Im Vorzimmerbüro vertiefte Jonah sich an seinem Schreibtisch für einen Moment ins Gebet. Er dankte den Engeln für diese gewaltige Ehre, die sie ihm hatten zuteilwerden lassen. Als er den Kopf hob, strahlte er über das ganze Gesicht. Er ließ den Blick bedächtig über seine Umgebung schweifen – über den aufgeräumten Schreibtisch; den weichen, cremefarbenen Teppich; das kleine Gemälde eines Engels von Michelangelo, das an der Wand hing.
Wenn er sein jetziges Leben mit dem von vor achtzehn Monaten verglich, konnte er es kaum glauben. Damals hatte er sich durchs College gequält, hatte sein Studienfach gehasst, kaum Freunde gehabt und seine Familie war, wie immer schon, im besten Fall sehr distanziert gewesen und hatte es im schlimmsten Fall tatkräftig an Unterstützung fehlen lassen.
Seine Zukunft war ihm damals grau und trostlos vorgekommen – ein Beruf, den er nicht wollte; nichts, worauf er sich freuen konnte; nichts, was ihm wirklich am Herzen lag. Als er im Englischunterricht Eliot gelesen hatte, hatte er gedacht, dass er, wenn er mutig wäre, dem Ganzen ein Ende machen würde – besser ein Abgang mit Knalleffekt als die jämmerliche Fortsetzung seines mittelmäßigen, sinnlosen Lebens. Er hatte müßige Pläne geschmiedet, wie er es anstellen würde. Und obwohl er ganz genau gewusst hatte, dass er doch nie den Mumm dazu haben würde, hatte ihn das auf absonderliche Weise aufgemuntert.
Und dann war ihm eines Tages ein Engel erschienen. Er erinnerte sich noch ganz genau an jenen Moment: Er trottete gerade über den Campus und wälzte düstere Gedanken. Für seinen Abschluss musste er mindestens eine Naturwissenschaft belegen, aber dafür fehlte ihm jegliches Talent und er war dabei, in Biologie durchzufallen. Und um stattdessen auf etwas Leichteres, wie zum Beispiel Geologie, umzuschwenken, war es jetzt zu spät. Jonah seufzte und starrte auf seine Füße. Vielleicht war es besser, wenn er tatsächlich durchfiel. Es war ja nicht so, dass er den Abschluss überhaupt wollte.
Ein greller Lichtblitz ließ ihn abrupt innehalten. Und als er aufsah, erblickte er einen Engel, der langsam auf ihn zuflog. Es war ein prachtvolles, herrliches Wesen, das derart hell leuchtete und so viel Liebe und Frieden ausstrahlte, dass Jonah wie angewurzelt stehen blieb. Es war ein weiblicher Engel. »Hab keine Angst«, sagte sie. »Ich muss dir etwas geben.«
Weißes Licht loderte rund um Jonah auf, als sie ihre leuchtenden Hände auf ihn legte, und er spürte, wie etwas ihn durchströmte – eine bis dahin nie gekannte Kraft und Entschlossenheit. Das Gesicht des Engels war rein und schön, ihre Gesichtszüge friedvoll und freundlich. Als sie schließlich wieder davonflog, glänzten ihre Flügel in der Sonne und seine Welt hatte sich für immer verändert.
Er hatte das College abgebrochen. Nie zuvor in seinem Leben hatte er sich so frei gefühlt wie an jenem Tag, als er den Campus hinter sich gelassen hatte. Er war auf direktem Weg nach Denver gefahren, wo gerade die neue Kathedrale der Church of Angels gebaut wurde. Dort hatte er weitere Engel getroffen, genauso wundervoll und strahlend wie der erste – und obwohl ihn keiner von ihnen je wieder mehr als flüchtig berührte, schwelgte er noch immer in der wohligen Wärme ihrer heiteren Gelassenheit und ihrer Ruhe.
Als ihm klar geworden war, dass Engel in Menschengestalt mitten unter den Menschen lebten, hatte dieses Wissen ihn nur in seiner Ansicht bestärkt, dass die Welt nicht grau und trostlos war, sondern schön und strahlend und voller Magie.
Jonah saß an seinem Schreibtisch und staunte über sein Glück. Lächelnd schüttelte er den Kopf und zwang sich, sich zu konzentrieren. Es gab viel zu tun. Er öffnete ein neues Dokument auf seinem Computer und begann, eine Liste mit Ideen für die Feier anlässlich des Eintreffens der Engel zu erstellen. Plötzlich kam ihm ein weiterer Gedanke: Vielleicht konnten sie das Ereignis ins Fernsehen und in die Nachrichten bringen? Er wurde ganz aufgeregt. Ja, natürlich – sicher sollte doch die ganze Welt davon erfahren? Den Kopf voller Pläne stand er schnell auf, um Raziel deswegen um Rat zu fragen.
Er wollte gerade an Raziels Bürotür klopfen. Da hörte er den Engel telefonieren und hielt inne.
»Ja, Lailah, ich weiß, dass sie sich nicht sofort nähren
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