Wechsel-Wind
haben. Brauchtest du spezifisch mich?«
Er schüttelte den Kopf.
»Sind deine Absichten mir gegenüber letztendlich wohlwollend?«
Er nickte. Schließlich mußte er ihr so viel Gutes tun, daß sie für ihn eine Träne vergoß.
Aber um diese Antwort kritiklos hinzunehmen war sie mittlerweile zu raffiniert. »Sind sie für mich ebenso vorteilhaft wie für dich?«
Damit legte sie den Finger auf eine entscheidende Einschränkung. Auf lange Sicht kümmerte ihr Wohlergehen Nimby nicht; ihn interessierte nur der Sieg im Wettkampf. Aber weil er ihre emotionale Beteiligung benötigte, damit sie um ihn weinte, beabsichtigte er, sie gut zu behandeln. Er wollte, daß sie ihn am Ende mochte und sein Wohlergehen sie kümmerte. Nach ihrer Definition, oder nach dem, was er dafür hielt, war seine Absicht also durchaus zu ihrem Nutzen, wenn auch nicht notwendigerweise vollkommen glückbringend. Also nickte er wieder.
»Du brauchst also im Grunde eine Person – und nicht, um sie zu fressen oder anderweitig zu schädigen.«
Er nickte.
»Selbstverständlich weiß ich nicht mit Sicherheit, ob ich dir trauen kann«, antwortete sie, denn zu ihren Gaben gehörte nun auch gesunder Menschenverstand. »Aber mit den Kräften, die du mir demonstriert hast, hättest du mich betäuben und in Ruhe verspeisen können, wenn du das gewollt hättest. Also unterstützt der Anschein deine Behauptungen. Du benötigst Gesellschaft.«
Er nickte knapp.
»Aber das ist noch nicht alles«, sagte Chlorine weise. »Dennoch könnte ich sicherlich tagelang raten und trotzdem die Antwort niemals finden. Ich war noch nie sehr gut beim Spiel der neunzehn Fragen, nicht einmal bei dem mit den fünf Fragen.« Überrascht verstummte sie. »Aber jetzt könnte ich das sein. Dennoch sehe ich darin keinen Sinn. Solange ich in deiner Begleitung bin, bin ich so wie jetzt – und wenn ich mich von dir trenne, dann verwandle ich mich in die Chlorine zurück, die ich normalerweise bin.«
Wieder nickte er.
»Also wollen wir sehen, was ich sonst noch sein will«, sagte sie pragmatisch. »Schönheit liegt nur an der Oberfläche. Gesund will ich sein!«
Er fokussierte seine Aufmerksamkeit auf sie und machte sie überaus gesund. Als er sie schön und klug machte, hatte er bereits einiges an Vorarbeit geleistet, und nun machte er ihre Physiologie ebenso auserlesen, wie ihre Haut, ihr Fleisch und ihre Knochen waren. Sie würde lange leben und niemals krank werden, und wenn sie etwas verwundete, dann würde der Heilungsprozeß schnelle Fortschritte machen. Solange sie bei ihm blieb.
»Ja, ich spüre, wie die Gesundheit mich durchflutet«, sagte sie. »Am liebsten möchte ich hüpfen und rennen.« Das tat sie dann auch, und ihr Körper gehorchte ihren Wünschen in perfekter Weise.
Sie kehrte zu ihm zurück. »Wie groß ist die Reichweite dieser Wohltaten?« fragte sie. »Zehn meiner Schritte? Einhundert? Eintausend?«
Bei der dritten Zahl nickte er. Sie mußte bei ihm bleiben, und obwohl die Entfernung nicht die große Rolle spielte, war es doch gut, ihr eine Vorstellung zu geben.
Leider dachte sie nicht daran, eine verwandte Frage zu stellen: Konnte sie sich aus seinem Wirkungsbereich entfernen und damit die Beziehung offiziell beenden, es sich dann anders überlegen, zurückkehren und die Vorzüge wieder in Anspruch nehmen? Sie nahm an, sie könne es – das verriet ihm sein Bewußtsein –, und darin lag für sie beide die Möglichkeit der Katastrophe. Aber das durfte er ihr nicht mitteilen – sie mußte danach fragen.
Eine andere Idee erregte ihre Aufmerksamkeit. »Ich weiß nun, daß mein Verstand und mein Körper außergewöhnlich sind – meine Persönlichkeit hingegen nicht. Ich bin ein mißgünstiger, zynischer Drachen – oh, ich wollte dich nicht beleidigen. Jedenfalls ist das ein Grund, weshalb niemand mich leiden kann. Kannst du mich freundlich machen?« Sie zögerte, als ihr ein Gedanke kam. »Aber nicht zu freundlich, denn labberig und wischi-waschi will ich auch nicht sein.«
Das war nun wieder eine Bitte. Nimby konzentrierte sich und stellte Chlorines Persönlichkeit so ein, daß sie ›freundlich‹ wurde. Selbstverständlich verrichtete er gute Arbeit und versorgte sie mit Eigenschaften wie Integrität, Mitgefühl, Erbarmen, Einfühlungsvermögen und Rücksichtnahme. Sie würde so freundlich sein, wie es nur irgend ging. Und dann fügte er einen beträchtlichen Brocken Realitätssinn hinzu, damit sie nicht, wie sie es nannte, »labberig und
Weitere Kostenlose Bücher