Weddingplanerin mit Herz (German Edition)
können. Es wird passieren. Aber bitte, bitte: Nicht am ersten Tag! Warum wirken meine Leidensgenossinnen Isa und Jenny so gelassen?! Haben die gar keine Angst? Und ganz plötzlich war die Einführung vorbei und ich auf dem Weg zur ersten Aufgabe. Allein.
Und dann das. Im Aufzug hatte die optimistische Lena in mir gerade die Oberhand gewonnen. Meine Motivation kam (nicht ganz anständig) von einer kleinen Schwesternschülerin, die in der Halle von einem Versagensangst-Heulkrampf übermannt wurde. So bist du immerhin nicht, Lena, dachte ich charakterlos und fasste umgehend wieder Mut. Voll neuer Tatkraft betrat ich den Aufzug und überprüfte zum vierzehnten Mal mein Equipment: Ausweis, Block, Stift … Stift? Heute Morgen hatte ich doch extra den Examens-Glückskuli eingepackt. Hatte mein treuloser Kumpan mich schon vor der ersten Notiz verlassen, um mein sofortiges Versagen zu prophezeien? Unfassbar, wie abhängig-abergläubisch ich bin. Glückskuli – gute, wichtige Notizen. Kein Glückskuli – schlechter Tag, an dem ich eine ärztehassende selbstgefällige Stationsschwester um die Grundausstattung an Schreibmaterial bitten muss. Kein normaler Mensch kann die Erleichterung nachvollziehen, die ich verspürte, als ich meinen Glücksbringer-Stift auf dem Aufzugboden erspähte. Jeder, der meine Begabung für peinliche Situationen kennt, kann sich dagegen sofort denken, dass sich genau in dem Moment, in dem ich mich nach dem Stift bücke, hinter mir die Aufzugtür öffnet. Jemand sagt »schöne Beine«.
Ich fuhr herum – und musterte mit hochrotem Kopf den Mann, der hinter mir den Aufzug betreten hatte. Groß, attraktiv, strahlende Augen, ein zauberhaftes Lächeln. Und dann: »Dr. Tobias Thalheim, Oberarzt«. Das Schild an seinem Kittel erwürgte alle Wohlgedanken und Romantikfantasien, die beim Anblick des attraktiven Mitfahrers in mir aufgeblitzt waren. (Wie haben Sie sich kennengelernt? Oh, in einem Aufzug.) Stattdessen fieses Schamgefühl angesichts eines neuen Moments höchster Peinlichkeit. Und das Einzige, was ich dumme Nuss herausgebrachthabe, war »Danke schön«. Das war also die erste Begegnung der angehenden Assistenzärztin mit dem gefürchteten Oberarzt. Beim nächsten Halt stürzte ich aus dem Aufzug, noch bevor sich die Türen richtig geöffnet hatten.
»Schöne Beine« tönt es seitdem in meinem Kopf. Anfangs klang die Bemerkung noch wie: »Sie sind die Sonne meines Tages – was immer Sie hier falsch machen werden, werde ich wohlwollend übersehen, denn Sie sind die Angelina Jolie meines Krankenhauses, auf deren Erscheinen ich jahrelang gewartet habe.« Inzwischen hat sich der Satz in meinem Kopf verwandelt. Jetzt bedeutet er: »Na WENIGSTENS haben Sie schöne Beine, wahrscheinlich haben Sie sonst gar nichts zu bieten, mittelmäßiges Examen, langweiliges Gesicht …« Mann, wenn ich doch wenigstens mit Isa oder Jenny sprechen könnte – ich brauche nur eine winzige Rückversicherung, dass ich spinne und vollkommen übertreibe. Aber die beiden lassen sich nicht blicken. DIE sind wahrscheinlich schon mit vollem Ehrgeiz und gänzlich unabgelenkt in die Arbeit eingestiegen und der Approbation durch bloße Geistesanwesenheit einen Riesenschritt näher gekommen. Und ich lasse mich von so einer blöden Bemerkung fertigmachen … Ging ich vor zwei Stunden noch hoch erhobenen Hauptes über die Flure meines neuen Reviers, so ist daraus jetzt ein Schleichen geworden; vom Grübeln niedergedrückt, versuche ich mich unsichtbar zu machen. Nicht die beste Voraussetzung für einen ersten Kliniktag. Mein Kopf sollte randvoll angefüllt sein mit den neuen Namen, den zu verinnerlichenden Arbeitsabläufen, den ersten Patientendaten. Stattdessen wiederholt eine warme Männerstimme in meinem Kopf immer wieder diese anzügliche Bemerkung. War es eine subtile Anspielung darauf, dass mein Kittel doch zu kurz ist? Niemand macht sich eine Vorstellung, wie schwierig die Entscheidung der Kittelgröße tatsächlich ist. Zu lang und man wirkt wie eine Litfaßsäule, denn die platten Gummischuhe verwandeln jede noch so schlanke Wade in unattraktive Elefantenstampfer. Zu kurz und man erweckt den Eindruck, man hätte lieber Krankenschwesterwerden wollen – in einer pornoverdorbenen Unterhemdträger-Fantasie.
Schluss jetzt, Lena! Ab sofort konzentrierst du dich ausschließlich und vorbildlich auf die neue Arbeit! Wie hieß jetzt der Patient, dem du eine Infusion legen sollst? Ritter, Manuel Ritter, na es geht doch.
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